Will die neue Chefredaktion beim Spiegel das Blatt wieder zum Öko-Kampfblatt zurückschrauben?

Das Wochenmagazin Spiegel bereitet Sorge. Klimatisch befindet sich das Blatt im vollen Rückwärtsgang. Klimalarm ist wieder Trumpf. Am 21. Februar 2015 erschien die Spiegel-Titelgeschichte „Der verheizte Planet“, in dem Klimaaktvisten wie Naomi Klein sowie Angehörige des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) für die Katastrophe werben. Die PIK-nahe Mercator-Stiftung freute sich und berichtete stolz.

Gemäßigte Teilnehmer der Klimadiskussion hingegen waren bestürzt. Wie konnte es zu dieser gefährlichen Kehrtwende kommen? Könnte es mit dem kürzlichen Wechsel des Chefredakteurs zusammenhängen? Im Januar 2015 übernahm Klaus Brinkbäumer die Printausgabe. Gleichzeitig wurde Florian Harms neuer Chefredakteur von Spiegel Online. Brinkbäumer äußerte sich in der Vergangenheit immer wieder besorgt über den Klimwandel. Hat er nun seine Chance gesehen und das Thema kraft seines neuen Amtes im Eiltempo auf die große Bühne gehoben?

Auch Fritz Vahrenholt ärgerte sich über die kurzsichtige Berichterstattung. Er schickte der Spiegelredaktion den folgenden Lesebrief, der in gekürzter Fassung auch gedruckt wurde. Im Folgenden die vollständige Version:

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Von: Fritz Vahrenholt
An: Spiegel

Gesendet: 25. Februar 2015

Betreff: Leserbrief zum Artikel „Der verheizte Planet“ in Spiegel 9/2015

LESERBRIEF

Sehr geehrte Damen und Herren,

der „verheizte Planet“ ist ein äußerst mangelhaft recherchierter Artikel, der einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhält. Als Basis der Temperaturentwicklung werden die Jahre 1950 bis 1980 zugrunde gelegt, eine Zeit der Abkühlung. Der Spiegel titelte damals in 33/1974: Kommt eine neue Eiszeit? Die Zeit davor wird in der Grafik des Artikels abgeschnitten, es war  um 0,3 Grad wärmer – ein Hinweis auf die natürliche Zyklik, die im Artikel vollkommen ausgeblendet wird. So ist es auch nicht verwunderlich, dass unerwähnt bleibt, dass die globale Mitteltemperatur trotz stetig steigender CO2-Emissionen seit 16 Jahren nicht mehr signifikant zugenommen hat. Zahlreiche neuere wissenschaftliche Veröffentlichen legen nahe, dass mehr als 50% des Temperaturanstieges von 1975 bis 2000 natürliche Ursachen (solarer Einfluss, zyklische Meeresströmungen) hat.

Auch bei der Katastrophenbetrachtung wird nur die halbe Wahrheit berichtet. Der Anstieg der EM-Dat Datenbank von 1970 bis 2000 ist dem Umstand geschuldet, dass die Datenbank 1988 eingerichtet wurde. Dass die Zeit  vor 1970 im Spiegel abgeschnitten wurde, ist ebenso bedenklich, denn die Daten sind nahe Null, da es noch keine systematische Berichterstattung gab. Im Übrigen erfasst EM-Dat auch Erdbeben und Kältekatastrophen. Dass die Naturkatastrophen seit 2000 deutlich abnehmen, passt natürlich auch nicht ins Bild. Selbst der Weltklimarat schreibt in seinem letzten Bericht 2013 , dass es keine belastbaren Hinweise auf die Zunahme von Hurrikanen, Dürren, Hochwasser, Hagel und Stürmen gibt. Die Sahara breitet sich eben nicht aus, wie der Artikel ausführt, sondern die Sahelzone wird grüner, wie Satellitendaten zeigen. So etwas darf dem Spiegel eigentlich nicht passieren.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt

Autor „ Die kalte Sonne- die Klimakatastrophe findet nicht statt“

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt

Alleinvorstand
der Deutschen Wildtier Stiftung
Hamburg

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Ulli Kulke analysiert die Spiegel-Wende in seinem Blog Donner + Doria wie folgt:

Spiegel: Zurück zum Öko-Kampfblatt

Will die neue Chefredaktion beim Spiegel das Blatt wieder zum Öko-Kampfblatt zurück schrauben? Werden die kritischen Ansätze, die in den letzten Jahren die immer haltlosere Weltuntergangsstimmung zumindest hinterfragten, jetzt hintangestellt? Der neue Titel „Der verheizte Planet“ scheint an die guten alten Zeiten der Apokalypse, die 80er Jahre, anknüpfen zu wollen, als der Spiegel uns zum Beispiel 1981 in einer dreiteiligen Serie den deutschen Wald als endgültig verloren verkaufte und genüsslich einen Kronzeugen nach dem anderen zitierte. O-Töne von damals: “Die ersten großen Wälder werden schon in den nächsten fünf Jahren sterben. Sie sind nicht mehr zu retten.“ “Die Tanne verabschiedet sich.” “Im Jahr 2020 dürfte aller physisch erreichbare Wald in den unterentwickelten Ländern abgeholzt sein.” Schlimm, alles schlimm.

Jetzt also: „Der verheizte Planet“, Klimawandel, was sonst? Nicht mehr nur der Wald verschwindet jetzt, sondern gleich unsere ganze Lebensgrundlage, der Planet. Wenn sich nichts mehr verkauft, Angst geht immer. Da wird zum einen ein Interview mit der Globalisierungskritikerin Naomi Klein schwer in Szene gesetzt. Ihrer Ansicht nach hätten die Menschen ja in den 80er Jahren erkannt, dass die Welt gemeinsam gegen den Klimawandel zu Felde ziehen müsse, aber dann passierte leider etwas Schlimmes: der Zusammenbruch des Ostblocks. Und damit waren alle Anstrengungen von vornherein zum Scheitern verurteilt, meint Klein – allen Ernstes. Die Sowjetunion, die ja bekanntlich wesensmäßig auf Elektrizität basiert, und dann die DDR mit ihrer Braunkohlewirtschaft, die polnischen Stahlhütten in Oberschlesien, garantiert filterfrei – was waren das alles noch für Hoffnungsträger in Sachen Nullemission und effiziente Klimapolitik. Die sind jetzt verschwunden, und jetzt muss man wieder ganz von vorn anfangen, den Kapitalismus zu überwinden, um den überhitzten Planeten zu retten. Die Spiegel-Redakteure wollen sich das zwar nicht ganz zu eigen machen, suggerieren mit ihren Fragen aber lediglich, dass die Reihenfolge vielleicht nicht die richtige sei: Wenn man erst das Gesellschaftssystem überwinden wolle, würde ja nichts daraus, halten da die Journalisten dagegen. Klimawandel hin, Alarmismus her – dass ganz im Gegensatz zur These von Klein die Luft nach dem Crash im Osten erheblich sauberer geworden ist, daran konnte sich offenbar keine Seite mehr erinnern in dem Gespräch. Ist ja auch lange her.

Weiterlesen auf Donner + Doria.

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Mittlerweile hat sich auch der ehemalige Direktor des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie, Lennart Bengtsson, zu Wort gemeldet und den Spiegel-Artikel in einem schwedischen Blogartikel heftig kritisiert. Pierre Gosselin berichtete am 4. März 2015 auf Notrickszone darüber:

Some criticism even came from rather hefty figures in the climate scene. For example Swedish professor Lennart Bengtsson, former IPCC climatologist and former head of the German Max Planck Institute for Meteorology in Hamburg. Bengtsson posted a commentary concerning the Spiegel doomsday piece at the Swedish Anthropocene site here. He calls the alarmist views of book author Naomi Klein, which Spiegel cited in its article: “not only wrong, but also hopelessly naïve.”

Bengtsson, who has gravitated from being a regular alarmist to a non-alarmist luke-warmer over the years, thinks that the growing emission of greenhouse gases is a problem over the long term, but that it is not an urgent problem. He writes there is no scientific basis showing the weather has become more extreme.

The storms are not worse than before, and they will be fewer in a warmer climate as a result of the polar regions warming up.”

On sea level Bengtsson writes that it is now rising at about 3 mm per year, but has not accelerated over the past 23 years. It makes no sense to rush and to make “hasty and inaccurate decisions“. He writes:

The reason for the increased emissions of carbon dioxide is the increasing earth‘s population and the desire of all the poor to live a life that is a little better and more hopeful, and perhaps someday even take a taxi at any time – surely among some of Naomi Klein’s environmental sins.”

Bengtsson calls the belief that a non-capitalist system can solve the earth’s energy and environmental problems “completely naïve” and uninformed, citing past failed experiments in socialism.

If anyone ought to be familiar with the costs needed to solve the problems left behind by communist East Germany, it is Spiegel. The Elbe River was a dead river at the time of the German reunification. Now, thanks to the capitalist system, it has returned to life.”

As an example of a successful approach to lower CO2, emissions, Bengtsson uses the United States: “In fact, one of the few countries that has significantly reduced CO2 emissions are the United States, through its growing gas exploration!

Bengtsson adds:

The only hope to solve the planet’s long-term environmental problems is via the open and free society, not least of all by a socialist dictatorship on a global scale. This at least Spiegel’s editors ought to know.”