Die Sonne im Dezember 2014 und eine aufschlussreiche Arbeit zum Temperaturantrieb

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Unser Zentralgestirn war im letzten Monat recht aktiv, jedoch wiederum nicht überdurchschnittlich. Die SSN (SunSpotNumber) betrug 78,0, das sind 90% des „Normalen“ in diesem Zyklusmonat, Nr. 73 seit Beginn des 24., relativ systematisch beobachteten Zyklus.

Abb.1: Der aktuelle Zyklus 24 (rot) im Vergleich zu einem synthetischen mittleren Zyklus (blau, unter Berücksichtigung der Waldmeyer-Diskontinuität um 1945) und dem ersten Zyklus mit Beginn 1755 (schwarz), dem SC24 bisher recht ähnlich.

 

Der gesamte bisherige Verlauf des Zyklus von Dezember 2008  bis Ende Dezember 2014 ist von einer geringen Aktivität gekennzeichnet, insgesamt war die SSN nur etwa 52% des Durchschnittlichen.

Abb.2: Der direkte Vergleich der Aktivität der Zyklen untereinander. Die Werte entstehen durch Aufsummierung der monatlichen beobachteten Differenzen zum Mittelwert, blau in Abb.1.

 

Über die Auswirkungen  auf die Erde und ihr Klima gibt es viele Untersuchungen, eines ist jedoch sicher: Bei starker Aktivität treffen viele Partikel des Sonnenwindes auf die oberen, sehr dünnen  Schichten der Atmosphäre und regen diese, ähnlich einer Leuchtstofflampe, zur Lichtabgabe an. Die Sonnenmaterie wird vom Erdmagnetfeld eingefangen und da dieses sich in einem Oval um die Pole herum – nicht an den Polen selbst- der Oberfläche nähert wird man in diesem „auroralen (für Nordlicht) Oval“ recht oft  Polarlichter beobachten. Ein sehr eindrucksvolles Spektakel, wie es auch unser Leser Herwig Waldschläger im September 2014 auf den Lofoten erlebte:

Abb.3: Aurora Borealis bei 65 °N (Lofoten). Quelle: H. Waldschläger mit herzlichem Dank.

 

Die Klimadebatte war in den vergangenen Monaten  geprägt durch zwei große Themen:

–Der recht wahrscheinliche globale Temperaturrekord der Bodentemperaturen in 2014

–Die Validität der Modelle für die Projektionen des weiteren Geschehens bis etwa 2100.

Zum Temperaturrekord: Nicht bei den Satellitenbeobachtungen der Troposphäre sondern bei den stationären Temperaturerfassungen am Boden wird eine Rekord-Anomalie erwartet. Bei der Aufzeichnung nach GISS läuft Vieles auf einen Wert von +0,67 °C für 2014 hin, also  2/100 °C (!) mehr als vor 9 Jahren, in 2005. Beinhaltet  das allein eine bemerkenswerte Aussage für das Klima, für das man Zeiträume von 30 Jahren bewerten sollte? Interessant sind also Langzeittrends und wenn man ein solches Intervall hernimmt  (1983-2013 und 1983-2014) erkennt man, dass die Trendsteigung bis Ende 2014 sogar niedriger sein wird als bis zum Vorjahr. Klima und „Rekordjahre“ im hundertstel Grad- Bereich  sind also nicht unbedingt Synonyme, auch wenn medial manchmal so getönt wird.

Schauen wir daher besser auf die gegenwärtige Diskussion über die Validität der Modelle und ihre Empfindlichkeit auf die Steigerung des Treibhausgasanteiles (GreenHouse Gases, GHG) unserer Atmosphäre durch menschgemachte Emissionen. Eine aufschlussreiche aktuelle Arbeit zu diesem Thema kommt von einem Team um Ben Santer vom Lawrence Livermore National Laboratory. In Santer et.al.(2014), im Folgenden S14, wird untersucht, wie gut die Modelle die vulkanischen Ereignisse nach 1982 (Ausbruch des El Chichon in Mexiko) und 1991 (Ausbruch des Pinatubo auf den Philipinen) wiedergeben  und welchen Einfluss eine neuere Bewertung des dadurch erzeugten Temperaturantriebes (Forcing) auf die Fähigkeit der Modelle hat, die weitere Entwicklung besser voherzusagen. Verglichen wird mit den beobachteten Satellitendaten seit 1979 zur Ermittlung der Temperatur der Troposphäre zwischen 0 m  und etwa 4000 m Höhe. Diese Daten sind z.B. hier als „TLT“ ( Temperatures Lower Troposphere) verfügbar.

Abb.4: Der Verlauf von laufenden 10 Jahrestrends für Beobachtungen und  Modellläufe (grau), Quelle: Bild 4 aus S14

 

Daraus  wird in S14 gefolgert: „The close agreement we find between the observed and model average TLT responses to El Chich´on and Pinatubo (see Fig. 4) does not support the claim of a fundamental model error in climate sensitivity.”(S.8 von S14). Kurz: Die Equilibrilium Climate Sensivity (ECS) kann nach Auffassung der Autoren von Modellen (dem Mittel aller Modelle) nicht sehr falsch ausgegeben werden, weil  ja die Antwort auf das Forcing durch die beiden Vulkane recht realitätsnah abgebildet werden. Um diese Schlussfolgerung zu prüfen wollen wir uns das Forcing in diesen Jahren ansehen, wie es von den aktuellsten Daten des IPCC  ableitbar ist.

Abb.5: Die Stärke der vulkanischen Temperaturwirkung im Vergleich zum Forcing durch das Anwachsen von GHG im Zeitraum 1980 bis 2000.

 

Die abkühlende Wirkung durch die beiden Vulkane war 3,8 (5,6) mal stärker in vergleichsweise ganz kurzen Zeiträumen als das Forcing durch die in den nur 20 Jahren vergleichsweise  langsam zunehmende Konzentration an GHG. Hinzu kommt, dass das bei S14 gewählte Verfahren des Nachweises (laufende 10- Jahrestrends) nicht geeignet ist, die im Verhältnis in diesem Zeitraum viel kleineren Signale durch GHG- Forcing zu quantisieren. Es erzeugt auch aus zufälligen Rauschsignalen „Pseudotrends“, also Fehlinformationen in der Amplitude dessen, was man da nachweisen will.

Abb.6: Pseudotrends aus zufälligen, völlig trendfreien Rauschsignalen bei Anwendung von 10-jährigen laufenden Trends.

 

Die Ähnlichkeit der Modellberechnungen für den im Vergleich „gewaltigen“ (vgl. Abb.5) Antrieb durch die beiden Vulkane sagt daher kaum etwas darüber aus, wie die Modelle auf sehr lange Zeiträume (die ECS ist eine Größe, die erst nach Jahrhunderten relevant wird, wenn die Ozeane die Erwärmung gänzlich ausgeglichen haben) das GHG-Forcing berücksichtigen. Die Abbildung von ECS in den Vulkansignalen ist sehr schwach, die Zeit- und Amplitudenunterschiede machen die Signale unsensibel  gegenüber dem GHG-Forcing.

In S14 wird sodann der Temperaturverlauf zwischen 1998 und 2012 beleuchtet (S. 45) und zu Recht die große Diskrepanz zwischen den beiden herangezogenen Modellen und den Beobachtungen in diesem Zeitraum festgestellt. Auf die Frage, woher dies kommen könnte, wird nun nicht etwa angenommen dass des Pudels Kern in einer Überschätzung der Wirkung von GHG liegt, sondern dass Ungenauigkeiten bei der Berücksichtigung anderer Antriebe als das GHG- Forcing Schuld sind (S.10 in S14) und zwar:  Sonnenantrieb,  stratosphärischer Wasserdampf (H2Ostrat.), stratosphärisches Ozon (O3strat.) und Aerosole. Mit den IPCC- Forcingdaten aus 2013 (Quelle: s.o.) untersuchen wir nun, wie  sich die Forcings quantitativ zwischen 1998 und 2011 verhielten:

Abb.7: Die Änderungen im Forcing zwischen 1998 und 2011 , relativ zum GHG-Antrieb, der auf  100% gesetzt ist.

 

Die Autoren sind ratlos! Stimmen die Daten? Wie groß müssten die Fehler in der bisherigen Betrachtung sein, um den Strahlungsantrieb durch GHG zu kompensieren? Die Sonne müsste etwa 15 mal stärker in die Gesamtbilanz eingehen als bisher eingeräumt, die anderen genannten Forcings etwa 50 mal mehr und auch noch im genannten Zeitraum negativ wirken, was sie nach dem Stand des IPCC in 2013 nicht taten, sondern wie GHG erwärmend wirkten. Eine Hilfe bei der Überwindung dieser Ratlosigkeit bei quantitativer Betrachtung ist die Arbeit S14 nicht. Wir haben uns daher die Mühe gemacht, die in S14 zitierten Modelle mit Beobachtungen zu vergleichen:

Abb. 8: Der Vergleich zwischen in S14 ausgesuchten Modellen und realen Beobachtungen  über die gesamte Zeitspanne der Satellitenmessungen bis einschließlich 2014. Die Zeit des Verharrens der Troposphärentemperaturen seit 1998- jetzt  ist deutlich zu sehen.

 

Es wurden die in S14 verwendeten Modelle (grün, rot) und zusätzlich das Modell „ inmcm4“ (blau) mit  den nach S14 ENSO- befreiten RSS- Satellitendaten verglichen. Der aufmerksame Leser erinnert sich vielleicht noch an unseren letzten Bericht,  im Vergleich zwischen den BEST- Temperaturen 1900 bis 1999 und ausgesuchten Modellen schnitt es am besten ab (vgl. Abb. 3 dort).

Hier das Ergebnis:

Die Modelldaten sind wie in S14 ermittelt (siehe hier). Welches Modell macht die kleinsten Fehler mit welcher für die Diskussion von politischen Entscheidungen wichtigen Größe TCR  (Transient Climate Response) da sie für die Zeit bis 2100 die entscheidende ist? 1,3 (inmcm4) gewinnt, 2,4 (CanESM2) verliert niederschmetternd, 1,5 (GISS-E2-R) ist nicht gänzlich daneben. Auch hier schneiden Modelle mit einer TCR deutlich unter dem Modellmittel (das bei ca. 1,8 liegt) am besten ab. Übrigens:  Eine TCR um 1,33 ist auch am wahrscheinlichsten aus neueren Beobachtungen geschlussfolgert  (Otto et.al. und mehrere andere Arbeiten).

Eine TCR von etwa 1,3 bedeutet wohl praktisch eine globale  Erwärmung von ca. 1 Grad zwischen 2000 und 2100. Etwas, womit man mit Anpassung sehr wahrscheinlich gut leben kann, wenngleich lokale Risiken nicht auszuschließen sind. Eine sinnvolle Reduktion unserer menschengemachten GHG- Produktion ist daher angezeigt, jedoch keine Klimapanik.