Dänisch-chinesische Forschergruppe entdeckt wichtigen Zusammenhang: Arktische Meereisentwicklung der vergangenen 5000 Jahre von Sonnenaktivität gesteuert

Die systematische Vermessung des arktischen Meereises begann erst vor 35 Jahren, als die Forschungssatelliten ihren Dienst aufnahmen. Eine solch begrenzte Datenreihe ist jedoch viel zu kurz, um langfristige Trends und ihre Ursachen zu erkennen und zu interpretieren. Mithilfe von geologischen Studien kann die Entwicklung der Meereisbedeckung zum Glück weit in die Vergangenheit zurückverfolgt werden. Im Oktober 2010 hatten wir über eine solche Studie an dieser Stelle berichtet. Interessanterweise kam bei den Untersuchungen heraus, dass die Meereisbedeckung der Ostsee während der letzten 500 Jahre an die Sonnenaktivität gekoppelt war. Ein Jahr später, im Oktober 2013, kehrten wir zum Thema zurück. Und wieder hatte die Sonne ihre Finger mit im Spiel (siehe unseren Blogartikel „Arktisches Meereis schmolz und wuchs in den vergangenen 500 Jahren im Takt der Sonne“).

Im Juni 2014 erschien nun im Fachmagazin Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology die Arbeit einer dänisch-chinesischen Forschergruppe um Longbin Sha. Mithilfe von einzelligen Kieselalgen rekonstruierten sie die Meereisbedeckung der Diskobucht im westlichen Grönland für die vergangenen 5000 Jahre. Dabei fanden sie die großflächigste Ausdehnung des Meereises während der Kleinen Eiszeit. Aber auch während der Kältephase der Völkerwanderungszeit (500 n. Chr.) war das Eis überdurchschnittlich weit verbreitet. In der dazwischenliegenden Mittelalterlichen Wärmephase um 1000 n. Chr. zog sich das Eis zurück, genau wie während der späten Römischen Wärmeperiode um das Jahr 300 n. Chr. (Abbildung 1). Die Autoren fanden zudem, dass die schwankende Sonnenaktivität einen wichtigen Einflussfaktor für die Meereisveränderungen in den letzten fünf Jahrtausenden bildete. Im Folgenden ein Auszug aus der Kurzfassung der Arbeit:

Relatively warm conditions with a strong influence of the Irminger Current (IC) were indicated for the early part of the record (~ 5000–3860 cal. yr BP), corresponding in time to the latest part of the Holocene Thermal Maximum. Between 3860 and 1510 cal. yr BP, April SIC oscillated around the mean value (55%) and during the time interval 1510–1120 cal. yr BP and after 650 cal. yr BP was above the mean, indicating more extensive sea-ice cover in Disko Bugt. Agreement between reconstructed April SIC and changes in the diatom species suggests that the sea-ice condition in Disko Bugt was strongly influenced by variations in the relative strength of two components of the West Greenland Current, i.e. the cold East Greenland Current and the relatively warm IC. Further analysis of the reconstructed SIC record suggests that solar radiation may be an important forcing mechanism behind the historic sea-ice changes.

 

Abbildung 1: Meereisentwicklung in West-Grönland (unterste Graphik). Ausschlag nach unten bedeutet Zunahme (grau schattiert), Ausschlag nach oben Abnahme des Eises. Zum Vergleich ist die Sonnenaktivität in der obersten Kurve dargestellt. LIA=Kleine Eiszeit, MCA=Mittelalterliche Wärmeperiode, DACP=Kälteperiode der Völkerwanderungszeit, RWP=Römische Wärmeperiode. Abbildungsquelle: Sha et al. 2014.

 

Während in Zeitskalen von Jahrhunderten die Sonne offenbar die Oberhand hat, spielen im Bereich von Jahrzehnten die natürlichen Ozeanzyklen für das arktische Meereis eine große Rolle. Hierauf wies im Januar 2014 eine norwegisch-deutsch-US-amerikanische Forschergruppe um Martin Miles im Rahmen einer in den Geophysical Research Letters publizierten Studie hin. Die Wissenschaftler fanden ausgeprägte natürliche Rhythmen von 60-90 Jahren gemäß denen sich das arktische Meereis ausdehnte und wieder zurückzog. Eine nähere Untersuchung ergab, dass die Meereis-Zyklik offenbar von der Atlantischen Multidekadenoszillation (AMO) angetrieben wird. Miles und Kollegen wagen sogar zu erwähnen, dass man diese Rhythmik auch beim arktischen Meereisrückzug der letzten Jahrzehnte berücksichtigen sollte. Damit wollen die Wissenschaftler offenbar die Fachwelt darauf vorbereiten, dass das Eis im Nordpolarmeer in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wieder zunehmen könnte, da die AMO sich nach einem Aufschwung in den letzten 30 Jahren nun wieder auf dem Weg hin zu eisfördernden Bedingungen befindet (Abbildung 2).

Abbildung 2: Verlauf der Atlantischen Multidekadenoszillation (AMO). Quelle: Wikipedia.

 

Im Folgenden die Kurzfassung der Arbeit:

A signal of persistent Atlantic multidecadal variability in Arctic sea ice
Satellite data suggest an Arctic sea ice-climate system in rapid transformation, yet its long-term natural modes of variability are poorly known. Here we integrate and synthesize a set of multicentury historical records of Atlantic Arctic sea ice, supplemented with high-resolution paleoproxy records, each reflecting primarily winter/spring sea ice conditions. We establish a signal of pervasive and persistent multidecadal (~60–90 year) fluctuations that is most pronounced in the Greenland Sea and weakens further away. Covariability between sea ice and Atlantic multidecadal variability as represented by the Atlantic Multidecadal Oscillation (AMO) index is evident during the instrumental record, including an abrupt change at the onset of the early twentieth century warming. Similar covariability through previous centuries is evident from comparison of the longest historical sea ice records and paleoproxy reconstructions of sea ice and the AMO. This observational evidence supports recent modeling studies that have suggested that Arctic sea ice is intrinsically linked to Atlantic multidecadal variability. This may have implications for understanding the recent negative trend in Arctic winter sea ice extent, although because the losses have been greater in summer, other processes and feedbacks are also important.

Auch Paul Homewood beschäftigte sich auf WUWT im August 2014 mit dem Zusammenhang zwischen dem arktischen Meereis und der AMO. In seinem Artikel zeigt er eine Reihe von GISS-Temperaturkurven der Region, die ebenfalls im AMO-Takt oszillieren. Auch Homewood sieht für die Arktis in den kommenden 30 Jahren aufgrund der AMO-Entwicklung eine Abkühlung kommen:

All these stations, ranging from western Greenland to Siberia, show essentially the same pattern, a warm period around 1940, comparable to now, and a much colder interlude in the  1960’s and 70’s. And, of course, these all closely follow the ups and downs of the AMO. There seems little doubt that the Arctic will be in for another cold period during the next 30 years or so, and that, as Judith Curry indicates, we will see a long term recovery of Arctic ice extent.

Mit diesem Beitrag schließen wir vorerst unsere kleine Serie zum arktischen Meereis. Wer an weiteren Informationen interessiert ist, wird bei Tony Brown auf WUWT fündig, der eine Vielzahl weiterer Details zum Thema aufführt.