Ertappt: Geomar verschweigt in Pressemitteilung bedeutende Schmelzphase des arktischen Meereises in den 1960er Jahren

Die wohl bekannteste historische Schmelzphase des arktischen Meereises fand vor 1000 Jahren statt, als die Wikinger munter durch das eisarme Nordmeer schipperten und in diesem Zuge Island und Grönland kolonisierten. Das mag man heute nicht mehr so gerne hören, da es nicht in die Storyline der Klimakatastrophe passt. Im Jahr 1887 jedoch war das Thema noch unverfänglich. Damals kam die Welt gerade aus der Kleinen Eiszeit heraus. Man freute sich über die Wiedererwärmung. Warm war gut. Noch gab es keinen IPCC. So konnte man in der neuseeländischen Zeitung „The Press“ am 8. November 1887 auf Seite 6 doch tatsächlich über die Wikingerfahrten und das stark geschrumpfte Meereis lesen, heute unvorstellbar (mit Dank an Spürfuchs Steve Goddard):

 

Aber man muss gar nicht so weit zurückgehen. Auch zwischen 1920 und 1940 ereignete sich eine starke Schmelzphase im Nordpolarmeer. Der ehemalige Hamburger Max-Planck-Direktor Lennart Bengtsson fasste 2004 im Journal of Climate das Wissen über die Warmphase zusammen. Schon damals stellte er den Zusammenhang mit Ozeanzyklen her, die im 60-Jahres-Takt das Klimageschehen beeinflussen. Im Folgenden die Kurzfassung der Arbeit:

The Early Twentieth-Century Warming in the Arctic—A Possible Mechanism
The huge warming of the Arctic that started in the early 1920s and lasted for almost two decades is one of the most spectacular climate events of the twentieth century. During the peak period 1930–40, the annually averaged temperature anomaly for the area 60°–90°N amounted to some 1.7°C. Whether this event is an example of an internal climate mode or is externally forced, such as by enhanced solar effects, is presently under debate. This study suggests that natural variability is a likely cause, with reduced sea ice cover being crucial for the warming. A robust sea ice–air temperature relationship was demonstrated by a set of four simulations with the atmospheric ECHAM model forced with observed SST and sea ice concentrations. An analysis of the spatial characteristics of the observed early twentieth-century surface air temperature anomaly revealed that it was associated with similar sea ice variations. Further investigation of the variability of Arctic surface temperature and sea ice cover was performed by analyzing data from a coupled ocean–atmosphere model. By analyzing climate anomalies in the model that are similar to those that occurred in the early twentieth century, it was found that the simulated temperature increase in the Arctic was related to enhanced wind-driven oceanic inflow into the Barents Sea with an associated sea ice retreat. The magnitude of the inflow is linked to the strength of westerlies into the Barents Sea. This study proposes a mechanism sustaining the enhanced westerly winds by a cyclonic atmospheric circulation in the Barents Sea region created by a strong surface heat flux over the ice-free areas. Observational data suggest a similar series of events during the early twentieth-century Arctic warming, including increasing westerly winds between Spitsbergen and Norway, reduced sea ice, and enhanced cyclonic circulation over the Barents Sea. At the same time, the North Atlantic Oscillation was weakening.

In der Presse liest man über diese Schmelzphase heute recht wenig. IPCC-nahe Wissenschaftler wollen uns glauben lassen, dass es in den letzten 150 Jahren angeblich nur einen einzigen Trend gibt, nämlich den stetig-schleichenden Tod des arktischen Meereises. So erschien im Dezember 2013 im Fachmagazin PNAS eine Rekonstruktion der arktischen Meereisbedeckung für die vergangenen 650 Jahre mithilfe von arktischen Algen. Die Studie wurde angeführt von Jochen Halfar von der University of Toronto. Auch das Kieler Geomar war in Person von Steffen Hetzinger an der Arbeit mit beteiligt. Bereits am 19. November 2013 gab daher das Geomar im Rahmen einer Pressemitteilung bekannt:

Seit dem Ende der Eiszeit um 1850 herum zeigt das Archiv der Rotalge einen kontinuierlichen Rückgang der Eisschicht, der bis heute andauert. Dieser Rückgang ist stärker, als wir jemals zuvor in der 650 Jahre langen Rotalgen-Zeit beobachten konnten.“

Der österreichische Standard fing den Klimaalarm-Ball sogleich auf und informierte seine Leser:

Ein Team von internationalen Forschern hat erstmals die Entwicklung des Meereises in der Arktis bis ins Mittelalter zurück verfolgt. Dabei fanden die Wissenschafter von der Universität Göttingen unter anderem heraus, dass die Eisdecke seit Mitte des 19. Jahrhunderts kontinuierlich schmilzt. Geholfen haben ihnen dabei Rotalgen, die die Klimageschichte der letzten Jahrhunderte gleichsam konservierten. Bislang reichten die Daten von Satelliten über die Arktis nur bis in die späten 1970er-Jahre zurück.

Unter dem Wort „kontinuierlich“ stellt man sich vor, dass das Eis immer weiter abschmilzt, ohne größere zwischengeschaltete Wachstumsphasen des Eises. Nun werden sich die wenigsten Leser die Mühe gemacht haben, die Originalarbeit durchzulesen. Die Autoren werden in ihrer Pressemitteilung doch sicher nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit berichtet haben, oder? Der Blick in die Publikation bringt dann jedoch eine bittere Enttäuschung. In Abbildung 2b der Arbeit ist nämlich die Entwicklung der Meereiskurve für Neufundland für die vergangenen 150 Jahre detailliert dargestellt (Abbildung 1). Das Ergebnis: In den 1960er Jahren in der Vor-Satellitenzeit war das Meereis schon einmal so stark geschrumpft war wie heute. In der Pressemitteilung wird dieser unbequeme Umstand doch glatt verschwiegen.

Abbildung 1: Die blaue Kurve gibt die Entwicklung des Meereises vor Neufundland für die vergangenen 150 Jahre wieder. Ausschlag nach oben markiert Schrumpfen, Ausschlag nach unten Zuwachs. Quelle: Halfar et al 2013.

 

In der Arbeit selber erklären die Autoren die Entwicklung sogar korrekterweise mit dem Einfluss der atlantischen Ozeanzyklen:

Modeling studies have shown that the NAO exerts an influence on the spatial distribution of winter sea ice via wind-driven anomalies of sea-ice velocity, surface vertical heat flux, and possibly horizontal oceanic heat flux (7). There is strong observational evidence connecting Arctic sea-ice distribution with the positive NAO trend from the 1960s to the early 1990s

In der Geomar-Pressemitteilung wird die zyklische Natur des Meereises ebenfalls mit keinem Wort erwähnt. Eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Weder schrumpfte das Eis „kontinuierlich“, noch spielt CO2 die einzige Rolle, wie die Forscher uns weismachen wollen. Ob Steffen Hetzinger weiß, was er da tut? Er ist ein junger Kerl, der vermutlich noch eine Dauerstelle benötigt und daher das Klimapanik-Spiel mitspielen muss. Hat ihm das Geomar diese Pressemitteilung aufgezwungen oder war es seine eigene Idee, mit dem Klimaalarm kräftig zu punkten? Mit sauberer Wissenschaft hat dies nichts mehr zu tun. Kein guter Start in das Arbeitsleben.

Wie würde die Meereisdiskussion heute aussehen, wenn schon um 1960 mit der systematischen satellitengestützten Vermessung der Meereisdecken begonnen wurde? Bekanntlich starteten die Messungen erst im Jahr 1979. Im ersten IPCC-Bericht von 1990 war man noch naiv-ehrlich und verriet doch glatt, das kurz vor Beginn der Satellitenmessära offenbar deutlich weniger arktisches Meereis existierte als während der späteren Messphase ab 1979 (Abbildung 2). In den späteren IPCC-Berichten ließ man den Beginn der Graphik dann geschmeidig unter den Tisch gleiten.

Abbildung 2: Entwicklung des arktischen Meereises von 1973-1990. Quelle: 1. IPCC-Klimabericht (1990).

 

Angesichts der oben angeführten Schmelzphase in den 1960er/70er Jahren wundert es doch sehr, dass das Umweltbundesamt mit einer fragwürdigen IPCC-Graphik den Klimaalarm bewirbt, in dem die Schmelze kaum erkennbar ist (Abbildung 3).

Abbildung 3: IPCC-Graphik, die das Umweltbundesamt auf seiner Webseite zur Illustration der arktischen Meereisentwicklung verwendet. Dargestellt ist angeblich die „beobachtete mittlere Ausdehnung des arktischen Sommer-Meereises (Juli-September)“. Originalquelle: IPCC.

 

Sehr unrecht muss dem Umweltbundesamt sicher die Wiederentdeckung von alten Nimbus-Satellitenbildern gewesen sein, die für die 1960er Jahre große Löcher im arktischen Meereis dokumentieren. Spiegel Online meldete am 4. November 2014:

„Nimbus“: Nasa veröffentlicht uralte Satellitenbilder
Sie lagen vergessen im Nasa-Archiv: Wissenschaftler haben Satellitenbilder aus den Sechzigerjahren entdeckt. Ein großes Loch im Arktis-Eis, riesige Schneemengen, intakte Seen – die Bilder bieten so manche Überraschung.

Bereits am 21. Oktober 2014 hatte Mashable über die unerwarteten Löcher im Nordpolarmeereis berichtet:

The Nimbus data provides the earliest known view of Antarctica’s sea ice, which has made headlines recently for setting a record for the largest ice extent, and spotted large breaks in Arctic sea ice where none were thought to have occurred. The modern satellite record of sea ice in the Arctic and Antarctic starts in 1979, so the added data gives scientists a longer-term view that informs their understanding of present-day events. […]  Sea ice extents in the Arctic were much larger in the 1960s than they are now, Gallaher said, which is consistent with the global warming-induced decline in Arctic sea ice. Still, even in years with higher volume’s of sea ice, the satellite spotted ice-free areas near the North Pole that were 200 to 300 miles across. “We found holes in ice at North Pole that we didn’t expect to find,” he said. “It’s a big hole,” said Garrett Campbell, who also works on the Nimbus project from the NSIDC.

 

Siehe auch englischsprachiger Beitrag auf notrickszone.com.