Wenn in ein paar Millionen Jahren die Geologen einer zukünftigen intelligenten Lebensform in den Sedimentschichten der Erde graben, werden sie eine seltsame Gesteinslage finden. Darin werden sie auf Cola-Dosen, Betonbruchstücke und iPhone-Fossilien stoßen. Dies sind die Schichten der Heutezeit, welche zu dem Zeitpunkt bereits von vielen Metern Sediment verschüttet sein werden. Fasziniert von diesem Gedanken, machen sich die Geologen bereits jetzt Gedanken, wie man diese Epoche wohl nennen könnte. Dabei kam man auf den Namen „Anthropozän„, das Zeitalter der Menschen.
In ihrem Artikel „Mensch, deine Zeit“ befasste sich nun Petra Steinberger mit der neuen Epoche. Der Beitrag erschien am 9.3.2012 in der Süddeutschen Zeitung. Die Einleitung ihres Textes macht deutlich, dass in der Anthropozän-Diskussion zunächst einige Missverständnisse ausgeräumt werden müssten. Steinberger schreibt:
„Nicht die Natur regiert die Erde. Entgegen anderslautender Meinungen wahrscheinlich Gott auch nicht. Sondern die Menschen.
Blasphemie! For solche Sätze wäre man vor einiger Zeit noch auf dem Scheiterhaufen gelandet oder mit schlimmeren Qualen bedacht worden. Amnaßung! Hybris! Mensch, du überschätzt dich, hätte man sich in seinen letzten Stunden dann noch anhören müssen, vermutlich zu Recht! Der Mensch war der Natur die meiste Zeit seiner Existenz eher hilflos ausgeliefert, und fand im besten Fall Zuflucht in Geisterbeschwörungen und selbst gebauten Gotteshäusern. Diese Zeit liegt historisch ein paar Jahrhunderte und erdgeschichtlich nur ein paar Nanosekunden zurück.“
Es besteht kein Zweifel daran, dass menschliche Aktivitäten das Gesicht der Erde maßgeblich geprägt haben. In Mitteleuropa wurden endlose Waldlandschaften in landwirtschaftliche Kulturlandschaften umgewandelt. Wuchernde Städte entstanden, die allmählich ihr Umland verschlangen. Aber wie weit geht unser Einfluss wirklich? Haben wir es wirklich geschafft, die Oberaufsicht über das Klima an uns zu reißen? Sind wir die Hauptschuldigen an der bisherigen Erderwärmung? Gehen sämtliche Bosheiten des Wettergeschehens wie etwas Dürren, Überschwemmungen, steigender Meeresspiegel seit neuestem nur noch auf unser Konto? So liest man es jedenfalls fast überall in den Zeitungen. Was ist dran an der Sorge, außer der Lust an der eigenverschuldeten Katastrophe und Buße?
Schaut man sich die wissenschaftliche Literatur an, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die bisher nachgewiesenen Veränderungen bewegen sich noch immer eindeutig im Bereich der natürlichen Schwankungsbreite (siehe auch den kürzlichen Artikel von Willis Eschenbach auf WUWT). Aus den geologischen Mustern der Vergangenheit können wir ablesen, dass die Erwärmung nach der natürlichen Kältephase der Kleinen Eiszeit vor einigen hundert Jahren zu erwarten gewesen ist. Die Vergangenheit ist der Schlüssel zur Zukunft. Auch der steigende Meeresspiegel und schmelzendes Eis passen gut ins Bild. Die Häufigkeit von Dürren, Überschwemmungen und Stürmen ist durch natürliche Zyklen geprägt, die bislang zu wenig beachtet wurden. Bei jeder Häufung zuckt der Mensch sofort zusammen und fühlt sich sofort schuldig. Eine durch und durch menschliche Reaktion. Die wissenschaftliche Antwort hätte jedoch eine andere sein müssen, nämlich sich ernsthaft mit der Differenzierung von natürlichen und anthropogenen Einflüssen zu beschäftigen. An dieser Stelle ist einiges schief gelaufen. Ja, wir haben uns wirklich überschätzt, und Organisationen wie der Weltklimarat tun es leider immer noch. Scheiterhaufen gibt es heute gottseidank keine mehr, weder für die eine noch für die andere Seite der Klimadiskussion. Der Begriff Hybris trifft die Sache jedoch schon besser. Die Geschichte scheint sich in Zyklen zu wiederholen. Allmählich geht den Forschern jetzt auf, dass sie die Rolle der Natur im Klimageschehen wohl wirklich etwas unterschätzt hatten.
Einige Zeitgenossen missverstehen den Begriff Anthropozän und versuchen ihn als als politisches, umweltaktivistisches Druckmittel zu missbrauchen. Steinberger schreibt:
„Tatsächlich besteht unter vielen Wissenschaftlern und Umweltaktivisten die Tendenz, den menschlichen Einfluss auf die Erde als etwas grundsätzlich Negatives anzusehen.“
Der amerikanische Geograph Erle Ellis forderte kürzlich zusammen mit Kollegen in einem Artikel der New York Times mehr Realismus in der Anthropozän-Debatte. Die SZ schreibt über seine Bedenken:
„Im Anthropozän zu leben bedeute nicht, in einer ökologischen Hölle zu leben. Hoffnungslosigkeit wäre nun gar nicht im Sinne jener Wissenschaftler, die das Anthropozän zum Thema gemacht haben.“
Die Geologen sind noch unentschieden, ob sie die neue Epoche „Anthropozän“ wirklich haben wollen. Viele sagen, die Schaffung eines neuen Begriffs ist voreilig. Die betroffene Zeitspanne ist aus geologischer Sicht viel zu kurz, die maßgebliche anthropogene Beeinflussung wissenschaftlich nicht belegbar und die angebliche Einzigartigkeit unbewiesen. Aus geologischer Sicht deutet vieles auf eine ganz normale Entwicklung im Rahmen der zyklischen, natürlichen Entwicklung hin. Mittlerweile wurde eine Arbeitsgruppe der International Union of Geological Sciences (IUGS) eingesetzt, die 2016 auf dem International Geological Congress einen Abschlussbericht abgeben wird. Auch werden sie einen Antrag vorlegen, der von den Kongressmitgliedern abgestimmt werden soll. Wer sich jedoch eine schnelle Entscheidung erhofft hatte, wird wohl enttäuscht werden. In der Vergangenheit ließ die Entscheidung einiger IUGS-Anträge mehr als ein Jahrhundert auf sich warten.
Doug Hoffman machte in seinem The Resilient Earth-Blog einen guten Vorschlag: Überlassen wir die Entscheidung über den Epochen-Begriff Anthropozän einfach zukünftigen Generationen von Geologen. In ein paar Hundertausend Jahren wird alles klarer werden.