Von Sebastian Lüning
Geologe
Die Experten sind sich sicher: Bis zur Jahrhundertwende wird der Klimawandel die Temperaturen in Deutschland um zwei bis vier Grad nach oben schnellen lassen. Die Niederschläge sollen sich um 10% verringern, nicht hingegen Starkregenfälle, die zu mehr Überschwemmungen führen werden. Außerdem soll es stürmischer werden, wobei mit einer Steigerung um satte 50% gerechnet wird.
Erstellt wurden die Prognosen mithilfe von Klimamodellen. Modelle sind in den Naturwissenschaften weit verbreitet. Moderne Computer lassen komplexe Berechnungen zu, die früher unmöglich waren. Aber kann man den Ergebnissen der teuren Hochleistungsrechner wirklich vertrauen? Eine gesunde Portion Skepsis ist auf jeden Fall von Vorteil, denn Kollege Computer kann nur berechnen, was man ihm aufgibt: Garbage in – Garbage out. Der britischer Statistiker George Box brachte es auf den Punkt: „Alle Modelle sind falsch, aber einige sind nützlich“.
Die Klimawissenschaften sind ein stark multidisziplinärer Themenkreis. Eines der vielen beteiligten Fächer sind die Geowissenschaften, die eine ganz entscheidende Rolle in der Klimaforschung einnehmen. Leider ist jedoch die geowissenschaftliche Beteiligung an der öffentlichen Klimadiskussion noch immer sehr bescheiden. In den Medien dominieren ganz klar die Physiker mit ihren theoretischen Modellen. Dabei haben wir Geowissenschaftler eine ganz besondere Perspektive in die Betrachtung einzubringen, nämlich die Fähigkeit, komplexe Abläufe in einen zeitlich-räumlichen Kontext einzuordnen. Wenn wir im Studium eines gelernt haben, dann ist es Folgendes: Panta rhei – alles fließt. Nichts bleibt. Es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln.
Der Aktualismus aus der Geologie besagt, dass geologische Vorgänge, die heute zu beobachten sind, ebenso in der Vergangenheit gewirkt haben: The present is the key to the past. Im Umkehrschluss sollten uns die Prozesse der Vergangenheit auch Aufschlüsse über die Vorgänge der Gegenwart und Zukunft geben: The past is the key to the present. An dieser Stelle werden die Geowissenschaften in der Klimadiskussion dringend gebraucht. War das Klima des Holozäns, also der letzten 10.000 Jahre, wirklich so monoton ereignislos, wie oftmals behauptet? Gab es möglicherweise Zyklen, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholten? Was sind die klimatischen Treiber des natürlichen, vorindustriellen Klimawandels? Welche Zusammenhänge und Trends können in den natürlichen Klimaarchiven der Vergangenheit beobachtet werden?
Die Paläoklimatologie stellt dringend benötigte harte Daten zur Verfügung, anhand derer die theoretischen Modellvorstellungen überprüft werden können. Es ist klar, dass nur Modelle für Zukunftsmodellierungen verwendet werden sollten, die einen solchen Ground-Truthing-Test bestehen, das heißt, das Klima der Vergangenheit reproduzieren können. Im Folgenden wollen wir uns den Klimawandel am Beispiel Deutschlands etwas näher anschauen.
Ein unvorhergesehener Erwärmungshiatus
Seit nunmehr 17 Jahren pausiert die Erwärmung in Deutschland. Wenn man die offiziellen Jahresdurchschnittstemperaturen des Deutschen Wetterdienstes seit 1997 aufträgt, ergibt sich sogar ein ganz leichter Abkühlungstrend. Das wärmste Jahr ereignete sich 2000. Mit einer Jahresmitteltemperatur von 8,7°C war das Jahr 2013 lediglich das 40. wärmste Jahr seit 1881 in Deutschland.
Deutschland ist kein Sonderfall. Vielmehr ist die relativ lange Erwärmungspause ein globales Phänomen. Noch immer ist unklar, weshalb das Thermometer eigentlich nicht mehr ansteigen will. Die Wissenschaft diskutiert derzeit eine Vielzahl von konkurrierenden Möglichkeiten, hat aber leider noch immer keine abschließende Antwort gefunden. Insbesondere die Klimamodellierer wären an der Lösung des Phänomens sehr interessiert, denn lediglich 2% aller Klimamodelle, die vom Weltklimarat IPCC herangezogen wurden, können den Erwärmungshiatus reproduzieren.
Abbildung 1: Temperaturentwicklung Deutschlands 1997-2013 (Daten: Deutscher Wetterdienst, DWD; Graphik: J. Kowatsch).
Klimaerwärmung in Deutschland
Die offiziellen Temperaturmesswerte reichen in Deutschland bis 1761 zurück. Bis Ende des 19. Jahrhunderts blieb es relativ kühl, eine Phase die in vielen Teilen der Erde als ‚Kleine Eiszeit‘ bekannt ist, einer natürlichen Kältephase, die bereits im 15. Jahrhundert begonnen hatte. Ab 1900 stiegen dann die Temperaturen in Deutschland. Die Kleine Eiszeit war vorüber und das Klima erholte sich langsam wieder. Gegen 1940 wurde eine Art theoretische „Normaltemperatur“ erreicht. Die Erwärmung setzte sich in der Folge weiter fort, wobei das Klima in eine Wärmphase umschlug. Heute liegen die Temperaturen um etwa anderthalb Grad über jenen der Kleinen Eiszeit. In diesem Zusammenhang sind z.B. auch die Sommer in Norddeutschland im Laufe der letzten 60 Jahre spürbar wärmer geworden.
Abbildung 2: Temperaturentwicklung Deutschlands 1761-2007 (Quelle: wiki.bildungsserver.de).
Noch nie dagewesene Hitze?
Als Geowissenschaftler sollten wir uns für den längerfristigen Kontext dieser Erwärmung interessieren, die mit dem Beginn der Industrialisierung begann und in eine Zeit fällt, in der der Mensch den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre durch Nutzung fossiler Brennstoffe stark erhöht hat. Welchen Anteil hat der Mensch an dieser Erwärmung? Könnte ein Teil des Temperaturanstiegs vielleicht natürliche Ursachen haben? Ein Blick in die Zeit vor der Kleinen Eiszeit ergibt wichtige Hinweise. Vor etwa 1000 Jahren war das Klima in Deutschland durch die sogenannte Mittelalterliche Wärmephase geprägt. Temperaturrekonstruktionen in Sedimenten der Eifelmaare, in Torfablagerungen Norddeutschlands sowie an Höhlentropfsteinen des Sauerlandes zeigen ein Wärmeniveau an, das zum Teil sogar deutlich über dem heutigen lag.
In der davor liegenden Kältephase um 500 n. Chr. wurde es in Deutschland so kalt, dass die Lebensbedingungen für einige Volksgruppen unerträglich wurden. Im Rahmen der u.a. hieraus resultierenden Völkerwanderungsbewegungen siedelten etliche Völker in das wärmere Südeuropa um. Wiederum davor hatte sich eine weitere Wärmephase ereignet, die sich um das Jahr Null abspielte und auch als Römische Wärmephase bekannt ist. Abschnittsweise war es in Europa damals sogar wärmer als heute. In einer von der Universität Mainz angeführten Studie wurden die verschiedenen nordeuropäischen Wärmephasen der letzten 2000 Jahre miteinander verglichen und ein langfristiger Abkühlungstrend erkannt.
Natürlicher Antrieb
Was könnte hinter diesen vorindustriellen Millenniumszyklen stecken? Zunächst einmal fällt auf, dass die Sonnenaktivität in einem sehr ähnlichen Rhythmus schwankte, wie Untersuchungen auf Basis von Beryllium- und Kohlenstoffisotopen zeigen. Die warmen Phasen fallen in der Regel mit solar aktiven Zeiten zusammen, während in den Solarflauten die Temperaturen absackten. Nur ein dummer Zufall? Die erwähnte Sauerland-Höhlen-Studie konnte die Zyklik für die gesamten vergangenen 10.000 Jahre dokumentieren und stellte ein hohes Maß an Korrelation mit einem Klimaproxy aus einer nordatlantischen Studie fest, die von einem Team um den Lamont-Doherty-Forscher Gerard Bond in 2001 in Science publiziert wurde. Interessanterweise interpretierten Bond und Kollegen eben diese Klimazyklik als Folge von solaren Schwankungen.
Weitere Hinweise auf eine Beteiligung der Sonne kommen aus einer vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) angeführten Untersuchung zum Meerfelder Maar in der Eifel. Bei ihrer Analyse stießen die Forscher auf eine abrupte Klimaverschlechterung die vor knapp 2800 Jahren begann und fast 200 Jahre andauerte. Die Wissenschaftlergruppe um Celia Martin-Puertas konnte in ihrer Arbeit zeigen, dass die Abkühlungsphase zeitgleich zu einer solaren Schwächephase verlief. Im November 2012 erschien im Fachmagazin Atmospheric Chemistry and Physics Discussions zudem eine Arbeit eines schweizerisch-deutschen Teams um Yuri Brugnara von der Universität Bern, in der die Autoren den Einfluss des 11-Jahres-Sonnenaktivitätszyklus auf die atmosphärische Zirkulation der nördlichen Hemisphäre untersucht haben. Die Wissenschaftler fanden für die letzten 100 Jahre einen statistisch robusten Zusammenhang zwischen dem 11-Jahres-Sonnenzyklus und der spätwinterlichen Zirkulation der unteren Atmosphärenschichten. Besonders ausgeprägt war dieser Zusammenhang über Europa. Die solar-beeinflussten atmosphärischen Strömungsmodifikationen führten dabei lokal zu Temperaturänderungen von mehr als einem Grad.
Könnte die Sonne auch bei der Erwärmung der letzten 150 Jahre eine Rolle gespielt haben? Dies ist durchaus vorstellbar. Ähnlich wie bereits in den vorangegangenen Millenniums-Klimazyklen, hatte die Sonne nach der Solarflaute der Kleinen Eiszeit kräftig aufgedreht und erreichte in den letzten Jahrzehnten laut einer Arbeit eines Teams um Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung Rekord-Werte, wie sie selten zuvor im gesamten Holozän auftraten. Die Attribution ist nicht trivial: Anstieg der Temperatur, Anstieg des CO2 und Anstieg der Sonnenaktivität (Abbildung 3). Wer hat wieviel zum Klimawandel des 20. Jahrhunderts beigetragen? Simplistische phyikalische Modelle, die der Sonne jede Klimakraft verweigern, können die geologisch gut dokumentierten solar-klimatischen Zusammenhänge der Vergangenheit nicht reproduzieren.
Abbildung 3: Entwicklung der globalen Temperatur, CO2 sowie der Sonnenaktivität (dargestellt über das Sonnenmagnetfeld) während der letzten Jahrhunderte.
CO2 überschätzt?
Erwärmungspause und bislang unterschätzte natürliche Klimafaktoren weisen darauf hin, dass die sogenannte CO2-Klimasensitivät möglicherweise lange überschätzt wurde. Diese Meinung vertritt mittlerweile auch die norwegische Forschungsbehörde “The Research Council of Norway”, die Anfang 2013 eine Pressemitteilung herausgab, in der die Klimawirkung des CO2 gegenüber den bisherigen IPCC-Annahmen deutlich heruntergestuft wurde. Auch die niederländische Regierung kritisierte Mitte 2013 den IPCC, dass natürliche Klimafaktoren in den Abhandlungen zu wenig Berücksichtigung finden würden. Die Beschränkung des Klimawandels auf die menschengemachte Komponente sei eine Fehlentwicklung, urteilten die Holländer. Auf ihrer Webseite bemängelte auch die Österreichische Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, dass die gängigen Klimamodelle zu stark auf die Konzentration von Treibhausgasen reagieren würden. Zudem äußerte der Kieler Klimaforscher Mojb Latif in einem Fachvortrag im US-amerikanischen Baltimore den Verdacht, dass die CO2-Klimasensitivität in den IPCC-Modellen möglicherweise zu hoch angesetzt worden ist.
Eis und Schnee
Latif hatte 1997 in der ZDF-Sendung “Hallo Deutschland” prognostiziert, dass die Winter in Deutschland in den darauf folgenden 20 Jahre (also bis ca. 2017) eher kälter werden würden. Damit lag Latif richtig, wie wir heute wissen. Die heutigen Daten zeigen, dass die Winter in der Tat seit einem Vierteljahrhundert kälter geworden sind. Dies gilt im Übrigen auch für die Alpenwinter. Die Alpengletscher waren zudem in der Vergangenheit nicht so stabil wie von manchen angenommen. So wurden in den Schweizer Gletschern häufig Holzfunde aus der Zeit um 1000 n. Chr. gemacht, also aus der Mittelalterlichen Wärmephase stammend. Offensichtlich waren Teile der heutigen Gletschergebiete damals während starker Gletscherrückzugsphasen bewaldet. Ihre vermutlich größte holozäne Ausdehnung erreichten die Gletscher während der nachfolgenden Kleinen Eiszeit. Die aktuelle alpine Gletscherschmelze kommt daher nicht richtig überraschend, befinden wir uns doch nach Beendigung der natürlichen Kältephase in einer erneuten Wärmephase, ähnlich der Mittelalterlichen Wärmeperiode.
Nicht vergessen werden sollte zudem, dass die Alpengletscher auch zur Zeit des mittelholozänen Klimaoptimums vor 8000-4000 Jahre stark schrumpften. Weiterhin zeigen Studien, dass strenge Winterkälte in Deutschland oft in Phasen geringer Sonnenaktivität auftrat. Eine Gruppe der Universität Mainz und der ETH Zürich um Frank Sirocko fand für Mitteleuropa einen deutlichen Zusammenhang zwischen frostigen Wintern und solaren Schwächephasen (Geophysical Research Letters, August 2012). Eine andere Studie im Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics aus dem November 2012 dokumentierte, dass die Meereisbedeckung der Ostsee während der letzten 500 Jahre an die Sonnenaktivität gekoppelt war.
Meeresspiegel steigt langsamer als befürchtet
Immer wieder hatten Forscher in der Vergangenheit vor einem sintflutartigen Meeresspiegelanstieg von einem, zwei oder sogar mehr Metern bis zum Ende des Jahrhunderts gewarnt. Von solchen Extremprognosen ist man mittlerweile wieder abgerückt. Das Bundesumweltamt (UBA) sieht aktuell nur noch einem eustatischen Anstieg von etwa 30 cm. Die früher postulierten Anstiegsraten waren von einer signifikanten Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs ausgegangen. Küstenpegelmessungen können eine solche anthropogene Beschleunigung jedoch nicht bestätigen. Eine Studie der Universität Siegen ergab, dass der Meeresspiegel in der Nordsee seit 100 Jahren mit konstanter Geschwindigkeit ansteigt, und zwar mit lediglich 1,5 mm pro Jahr. Ähnliche Werte hatte zuvor eine Gruppe um Hans von Storch berichtet. An der deutschen Ostseeküste sieht es nicht anders aus. Eine Arbeit der Technischen Universität Dresden fand einen eustatischen Anstieg um 1,3 mm pro Jahr. Auch hier gab es keine Anzeichen für eine Beschleunigung. Würde sich dieser etablierte Trend weiter fortsetzen, so wäre an deutschen Küsten mit einem Meeresspiegelanstieg von maximal 15 cm bis 2100 zu rechnen (ohne Berücksichtigung von Küstenabsenkungen).
Extremwetter
Eine Weile lang war es sehr in Mode, das Extremwetter reflexhaft mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen. Auf Basis von theoretischen Modellen wurde gemutmaßt, dass eine Vielzahl von Extremwetterarten im Zuge einer Klimaerwärmung zunehmen würde. Kommerzielle Studien der Versicherungsindustrie schienen den Trend zu belegen. Allerdings stellten spätere akademische Untersuchungen fest, dass der stetige Anstieg der Schadenssummen wohl eher auf sozialökonomische Faktoren anstatt auf eine Steigerung des Extremwetters zurückzuführen ist. Die versicherten Werte haben im Laufe der Zeit immer weiter zugenommen und die Normierung war offenbar unvollständig.
Im Dezember 2011 erschien in den Quaternary Science Reviews die Studie einer schweizerisch-tschechisch-deutschen Forschergruppe um Ulf Büntgen von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Das Team untersuchte Baumringe aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz und der Tschechischen Republik, deren Alter zum Teil mehr als 1000 Jahre zurückreichte. Aus der Dicke der einzelnen Lagen konnten Niederschlags-bedingte Extremsituationen rekonstruiert werden. Die Autoren kommen in ihrer Studie zu einem deutlichen Ergebnis: Die Häufigkeit und Schwere von Wetterextremen waren im regionalen bis kontinentalen Maßstab gleichmäßig über das vergangene Jahrtausend verteilt, und das trotz Erwärmung in den letzten 150 Jahren um ein Grad. Die Analyse der deutschen historischen Wetterdaten ergibt weiterhin, dass bei fast keiner Extremwetterart eine Zunahme während der vergangenen Jahrzehnte zu beobachten gewesen ist.
Stürme
Der IPCC prognostizierte kürzlich, dass die Stürme in Deutschland bis 2100 um bis zu 50 Prozent zunehmen könnten. Eine Steigerung wird auch von der Munich Re postuliert. Die Zahl der Stürme hätte seit den 1970er Jahren stark zugenommen, heißt es aus München. Wie verlässlich sind Prognosen, die auf Daten von wenigen Jahrzehnten aufbauen? Aus geowissenschaftlicher Sicht ist es angeraten, längere Zeitreihen zu analysieren. Genau dies hat ein Wissenschaftlerteam um Sönke Dangendorf von der Universität Siegen getan. Die Forscher untersuchten die Sturmgeschichte der Nordsee für die vergangenen 170 Jahre und konnten keinen Langzeittrend bei Stürmen und Sturmfluten feststellen. Bereits 2009 hatte eine Gruppe um Hans von Storch darauf hingewiesen, dass bei den Stürmen in der Nordsee starke dekadische Schwankungen auftreten, ohne langfristigen Trend. Noch weiter zurückreichende Sturmrekonstruktionen aus dem mitteleuropäischen Raum zeigen zudem, dass die Kleine Eiszeit generell sogar stürmischer als heute war.
Hagel
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) warnte vor einiger Zeit davor, dass die Hagelgefahr in Deutschland in Zukunft zunehmen würde. Auch hier gibt der Blick zurück in die historischen Klimadaten Grund zur Skepsis. In einer Diplomarbeit der Universität Münster dokumentiert Jan Deepen zwar eine hohe jährliche Variabilität von Hagelereignissen in Deutschland, jedoch ist der Hagel-Trend in den letzten 80 Jahren nicht etwa anwachsend, sondern vielmehr überraschenderweise rückläufig. Ähnlich sieht es das Climate Service Center Germany. Mittlerweile fanden internationale Studien, dass die Häufigkeit von Hagel offenbar weitgehend unabhängig von der Entwicklung der Durchschnittstemperatur ist und Hagel in China trotz Erwärmung in den letzten 50 Jahren seltener geworden ist (Xie et al. 2008, 2010).
Hitzewellen
Die Anzahl der heißen Tage pro Jahr hat in Deutschland in den letzten Jahrzehnten messbar zugenommen. Die Hitzewelle im August 2003 war mit Abstand der wärmste Sommer der jüngeren Geschichte. Dies ist durchaus plausibel, denn extreme Hitze sollte in Wärmeperioden doch häufiger auftreten als in Kältephasen (z.B. der Kleinen Eiszeit). Allerdings wird auch hier der längerfristige Kontext notwendig. So zählen zu den drei trockensten Sommern der letzten 500 Jahre in den Alpen neben 2003 auch die Jahre 1921 und 1540. Dabei war das zuletzt genannte Jahr wohl der wärmste Sommer des letzten Jahrtausends in Westeuropa. Leider fehlen Daten zu Hitzewellen und Dürren für die Mittelalterliche Wärmeperiode vor 1000 Jahren in Deutschland. Eben diese Wärmeperiode sollte der logische Vergleichsmaßstab für die heutige Entwicklung sein, um natürliche Schwankungen und anthropogenen Sonderentwicklungen auseinanderzuhalten. Zusätzliche Forschungsanstrengungen sind notwendig in diesem Gebiet, um dringend benötigte Daten zu generieren.
Niederschläge
Der IPCC sagt für Deutschland bis 2100 einen Rückgang der Jahresniederschläge um 10 Prozent vorher. Insbesondere im Sommer soll es in Zukunft weniger regnen, wobei das Umweltbundesamt vor einer 30-prozentigen Verringerung der Niederschläge während der warmen Jahreszeit warnt. Derlei Trends sollten sich doch eigentlich bereits im letzten Jahrhundert bemerkbar gemacht haben, möchte man meinen. Der Vergleich mit der realen Entwicklung der letzten 130 Jahre bringt jedoch Ernüchterung: Die Jahresniederschläge haben sich in Deutschland im Laufe der letzten 130 Jahren um 10 Prozent erhöht, und nicht etwa erniedrigt. Auch die Sommer sind nicht richtig trockener geworden. Seit 1881 ist der Sommerregen um wenig signifikante 1,2 Prozent zurückgegangen, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) im März 2014 meldete. Die Winter hingegen sind in der gleichen Zeit um 30% feuchter geworden.
Starkniederschläge und Hochwasserkatastrophen
Die Munich Re und das PIK vermuteten in der Vergangenheit, dass aufgrund der Klimaerwärmung die Starkniederschlägen in Deutschland in den kommenden 30 Jahren zunehmen und zu mehr Überschwemmungen führen könnten. Das genaue Gegenteil fand jetzt eine japanische Forschergruppe, die ihre Studie 2013 in Nature Climate Change veröffentlichte. Auf Basis regionaler Modelle sagen die Wissenschaftler einen Rückgang der Hochwasserhäufigkeit für weite Teile Nord- und Osteuropas vorher.
Blickt man in die Daten der Vergangenheit, erkennt man eine starke natürliche Schwankungsbreite der Hochwasserhäufigkeit in Deutschland. Eine Verschlimmerung der Starkregensituation ist allerdings nicht erkennar. Studien zeigen, dass Hochwasser in Mitteleuropa in den vergangenen 500 Jahren nicht häufiger geworden zu sein scheinen. Auf der 7. Deutschen Klimatagung im Oktober 2006 stellten Manfred Mudelsee und Gerd Tetzlaff Studienergebnisse vor, die ebenfalls keine Zunahme der Hochwasserereignisse in Deutschland sahen. Weil immer mehr Menschen an die Ufer zogen, stiegen aber die Schäden durch Hochwasser. Zieht man diesen Wertzuwachs-Effekt ab, zeigt sich Berechnungen zufolge keine ungewöhnliche Zunahme in den vergangenen vier Jahrzehnten. Analysen des DWD ergaben zudem, dass sich in Deutschland aus dem Zeitraum 1951 bis 2000 kein eindeutiger Trend zu vermehrten extremen Niederschlagsereignissen ableiten lässt.
Was könnten die Treiber der natürlichen Hochwasser-Schwankungen sein? Zum einen spielen hier sicher multidekadische Ozeanzyklen eine Rolle. Andererseits hat offenbar auch unsere liebe Sonne die Finger mit im Spiel. So untersuchte ein Team des GFZ um Markus Czymzik anhand von laminierten Sedimenten die Flutkatastrophengeschichte des bayerischen Ammersees für die vergangenen 450 Jahre. Die Forscher fanden dabei einen deutlichen Zusammenhang der Hochwässer mit der Entwicklung der Sonnenaktivität. Die Studie erschien 2010 im Fachmagazin Water Resources Research.
Ausblick
Vieles spricht dafür, dass die globalen Temperaturen auch in den kommenden 10-15 Jahren nicht ansteigen werden. Wichtige Ozeanzyklen mit einem Umlauf von 60 Jahren befinden sich derzeit auf ihrem kühlenden Ast und verhindern die Fortsetzung der Erwärmung. Ende Oktober 2013 erschien in den Geophysical Research Letters ein Artikel eines chinesischen Forscherteams um Jianping Li von der Chinese Academy of Sciences in Peking, in dem auf Basis der Nordatlantischen Oszillation (NAO) und der Atlantischen Multidekadenoszillation (AMO) die Temperaturschwankungen der letzten 90 Jahre rekonstruiert werden. Unter Verwendung der auf diese Weise kalibrierten Technik, erstellten Li und Kollegen auch eine Temperatur-Prognose bis 2027. Fazit: Die Temperaturen werden in den kommenden 15 Jahren auf der Nordhalbkugel voraussichtlich leicht fallen.
Auch Marcia Glaze Wyatt von der University of Colorado-Boulder und Judith Curry vom Georgia Institute of Technology in Atlanta gehen aufgrund der Analyse von Ozeanzyklen von einer Fortsetzung der Erwärmungspause aus, die ihrer Meinung nach bis in die 2030er Jahre hineinreichen könnte. Die entsprechende Studie erschien im September 2013 im Fachmagazin Climate Dynamics. Bereits 2008 hatte Mojib Latif den Erwärmungshiatus kommen sehen und warnte, dass die Erwärmung während des kommenden Jahrzehnts pausieren könnte. In einer Mittelfrist-Klimaprognose des BMBF MiKlip Projekts wird angenommen, dass sich der Nordatlantik bis 2020 um mehrere Zehntelgrad abkühlen wird.
Wissenschaftliche Diskussion erwünscht
Die Deutschen verlieren allmählich die Angst vor dem Klimawandel, wie eine Spiegel-Umfrage von 2013 zeigte. Fürchtete sich 2006 noch eine klare Mehrheit von 62 Prozent der Deutschen vor der globalen Erwärmung, ist es jetzt nur noch eine Minderheit von 39 Prozent. Hieran ist die seit anderthalb Jahrzehnten anhaltende Erwärmungspause sicher nicht ganz schuldlos. Dennoch sollte der Klimawandel ein Thema bleiben. Der Klimawandel findet statt und CO2 ist ein erwärmendes Treibhausgas, dies wird kaum jemand bestreiten. In Wahrheit dreht sich in der Klimadiskussion alles um die Quantifizierung der verschiedenen Prozesse. Wie hoch ist die CO2-Klimasensitivität wirklich?
Vieles deutet daraufhin, dass der Wert lange überschätzt wurde, da die natürlichen Klimafaktoren außer acht gelassen wurden. An dieser Stelle müssen wir Geowissenschaftler in Zukunft aktiver werden. Welche Rolle spielen natürliche Klimafaktoren wie etwa die Sonne und Ozeanzyklen bei den langfristigen vorindustriellen Klimatrends? Paläoklimatologie ist Geologie. Unsere Expertise und Stimme werden in der öffentlichen Diskussion dringend gebraucht. Scheu ist unangebracht: Eine kontroverse wissenschaftliche Diskussion ist ein Zeichen für eine funktionierende Wissenschaft.
Auch ohne drohende Klimakatastrophe macht es natürlich Sinn, den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien weiter voranzutreiben. Durch das Verständnis, dass natürliche Klimaeinflüsse auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden, haben wir jedoch kostbare Zeit gewonnen, um die Dekarbonisierung durch neue Technologien, durch Effizienzsteigerung des Energie- und Materialverbrauchs und durch grundlegende Verbesserung der herkömmlichen fossilen Energieerzeugung auf kluge und sparsame, also wahrhaft nachhaltige Weise zu erreichen.