Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt
Die Sonne war im letzten Monat sehr, sehr unterschiedlich aktiv: Die erste Monatsdekade war recht bewegt, gegen Mitte des Monats schlief die Aktivität förmlich ein, der negative Höhepunkt war der 17. Juli mit null registrierten Sonnenflecken, immerhin noch in zeitlicher Maximumnähe. Zum Monatsende zog sie dann wieder etwas an, die mittlere SSN (SunSpotNumber) betrug für den Monat 72,5 mit der meisten Aktivität wiederum auf der Südhemisphäre der Sonne, in Zahlen: 47,1 gegenüber 25,4 für die Nordhemisphäre. Das sind 73% der für diesen Zyklusmonat üblichen Aktivität.
Abb.1: Die monatlichen Sonnenfleckenzahlen des aktuellen Zyklus 24 (rot) seit seinem Beginn im Dezember 2008 im Vergleich zu dem Mittelwert der bisherigen Zyklen 1…23( blau) und dem momentan ähnlichen Zyklus 1.
Für einen Zyklus- zu- Zyklusvergleich wurden die Anomalien, also die Differenzen zwischen den monatlichen SSN- Daten aller einzelnen Zyklen und dem Mittelwert (blau in Abb.1) aufaddiert:
Abb. 2: Die akkumulierten monatlichen Abweichungen vom Mittelwert für die beobachteten Zyklen seit 1750.
Das Nachlassen der Sonnenaktivität in diesem Jahrtausend ist hier sehr deutlich zu sehen. Zwischen 1945 und Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts sahen wir eine auch zeitlich recht lang andauernde starke Aktivitätsphase unseres Zentralgestirns. Diese außergewöhnliche Entwicklung belegt auch eine kürzlich erschienene Arbeit des finnischen Solarforschers Ilya Usoskinvon der Universität Oulu in Astronomy and Astrophysics (A&A Volume 562, February 2014). Die Arbeit zeigt, dass die hohe Aktivität der Sonne von 1945 bis 1995 in den letzten 3000 Jahren außergewöhnlich selten vorgekommen ist, starke Minima wie zur Zeit des Maunder Minimums (von 1645 bis 1715) dagegen sehr viel häufiger.
Abb.3 Sonnenfleckenzahl, rekonstruiert durch Usoskin et al. (2014) von 1150 v. Chr. bis 1950 n. Chr.. Die rote Kurve zeigt die seit 1610 direkt beobachteten Sonnenfleckenzahlen.
Eine Arbeit chinesischer Forscher vom Center for Space Science and Applied Research der Chinese Academy of Sciences in Peking (ZHAO X H, FENG X S., Chin Sci Bull, Chin Ver., 2014, 59: 1284: “Periodicities of solar activity and the surface temperature variation of the Earth and their correlations”), geht in ihren Schlußfolgerungen noch weiter:
“During the past 100 years, solar activities display a clear increasing tendency that corresponds to the global warming of the Earth (including land and ocean) very well. Particularly, the ocean temperature has a slightly higher correlation to solar activity than the land temperature. All these demonstrate that solar activity has a non-negligible forcing on the temperature change of the Earth on the time scale of centuries.”
Nun zu einem anderen Thema. Im Sommer ist stets das arktische Meereis ein Gegenstand des öffentlichen Interesses. Insbesondere nach 2006 gab es immer wieder Jahre (erinnert sei an 2007 und 2012), in denen große Teile der arktischen Eiskappe wegtauten und viel war die Rede von der „arktischen Todesspirale“, z.B. in diesem Artikel in Spektrum der Wissenschaft. Seit 1979 verfügen wir über recht gut validierte und homogenisierte Daten aus Satellitenbeobachtungen, die vor allem zwei Größen betrachten: Die Reineisfläche (oder Area), das sind die km², die von Eis bedeckt sind. Daneben gewinnt vor allem im Sommer die Eisausdehnung (oder der Extent) an Bedeutung: Es handelt sich dabei um die km², die mit mindestens 15% Eis bedeckt sind. Der lineare Trend dieser Größen ist in der Tat seit Beginn der Aufzeichnungen fallend:
Abb. 4: Der Verlauf des Extents im Juli seit 1979
Die Spannung zu Beginn einer Schmelzsaison im Mai/Juni ist immer groß: Wie viel Mio. km² werden wohl im September noch da sein? So einfach ist eine Schätzung nicht: Auch von der Trendlinie gibt es immer wieder Ausreißer nach oben (wie in den 90ern und frühen 2000ern) und unten (2007, 2011, 2012). Im letzten Jahr dann ein Zurück zur Trendlinie ebenso wie in diesem Jahr bisher. So führt das „Sea Ice Prediction Network“ jährlich eine Umfrage durch für einen „educated guess“, eine begründete Schätzung des kommenden mittleren September-Extent. Dieses Jahr sah es so aus:
Abb. 5: Vorhersage der Eisausdehnung für den September 2014 verschiedener Quellen und Methodiken, Quelle: arcus.com.
Zum Vergleich ist der Wert des Vorjahres aufgeführt: 5,4 Mio km² Extent waren es 2013. Der Mittelwert der Schätzung im Juni lag bei 4,8 Mio km², also weit über dem Rekordwert von 2012: 3,6 Mio. km². Auch ein Mitautor dieses Beitrages war beteiligt, seine Vorschau von Anfang Juli war 5,0 Mio. km². Er ließ sich von dem Wärmeinhalt des arktischen Beckens und dem vorhandenen Eisvolumen am Ende des Winters leiten. Mehrere entscheidende Größen kann man so früh nicht wissen: Wie ist das Wetter ( vor allem der Zustrom von warmer Festlandsluft und der Wind)? Welche anderen natürlichen Einflüsse wirken im Sommer?
Sie wissen: Jede Vorausschau ist schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betrifft. Nach dem bisherigen Verlauf der Saison bis Ende Juli wird es wohl sehr wahrscheinlich eher eine Wiederholung des Ergebnisses von 2013 geben: Der Mittelwert der Gemeinde wird wohl um ca. 0,6 Mio. km² zu niedrig liegen (der des Mitautoren nur um 0,4 Mio. km² 😉 ). Das Eis könnte wahrscheinlich robuster sein als zunächst angenommen. Das liegt an einer Größe, die man in Satellitenbildern naturgemäß nicht sieht: an der Dicke des Eises oder seinem Volumen. Hier ist man weitgehend auf Modelle angewiesen, eines der oft verwendeten ist „PIOMAS“. Es liefert auch tägliche Daten zum Eisvolumen und für die aktuellsten Werte (die des Juli) ergibt sich dieses Bild über die Jahre:
Abb. 6: Das Eisvolumen ( 1979=100%) nach PIOMAS jeweils am 31.7. der Jahre bestimmt, mit einem nichtlinearen Trend über 8 Jahre geglättet.
Der Juli ist ein ganz bedeutender Monat während der Schmelzsaison: Die Sonne ist in der Arktis 24h am Tag am Himmel, die Einstrahlung dort übertrifft dadurch die der Tropen. Unser Stern steht auch noch hoch am Himmel, nur etwa 15% der Einstrahlung ins Wasser wird reflektiert. Das offene Wasser nimmt große Energiemengen auf, diese können das Meereis von der Seite und von unten aufschmelzen. Und in diesem Jahr ereignete sich nun etwas ganz besonderes: Während im Mittel der Jahre seit 1979 ca. 6,5 T km³ Eis im Juli aufschmelzen, waren es im aktuellen nur knapp 5,1 T km³.
Abb. 7: Das aufgeschmolzene Eisvolumen im Juli seit 1979. Mit verzeichnet sind die Grenzen der doppelten Standardabweichung (dick schwarz).
Die geringe Schmelzrate im Jahre 2014 ist ein 3- Sigma Ereignis! Ein Negativ- Rekord seit 1979, der seines Gleichen sucht. Das Bild des relativ gleichmäßigen Sinkens in Abb. 4 und 6 täuscht, das Eis des aktuellen Jahres wird ganz entscheidend von den Vorjahren bestimmt. Die Reihe ist in hohem Maße autokorreliert. Viel besser sieht man aktuelle Entwicklungen mit dem Verlustdiagramm aus Abb. 7. Irgend etwas scheint im Hochsommer passiert zu sein, das die Abwärtsentwicklung stoppte. Es war eine natürliche interne Variabilität unseres Klimas, das Wetter war es mit Sicherheit nicht, denn alle Experten rätseln momentan. Das Wetter erinnerte in diesem Jahr eher an 2012 und damals gab es den Tiefpunkt der Volumenentwicklung.
Die natürliche Variabilität ist ein in den letzten Jahren in der Klimawissenschaft oft zugunsten der vorschnellen Erklärungen durch die Treibhausgaswirkung vernachlässigtes Forschungsfeld. Die Beobachtungen auch des arktischen Eises bringen es mit Sicherheit wieder mehr auf die Tagesordnung. Wenn Sie wissen wollen, wie es endet im September mit dem Arktiseis – bleiben Sie bei uns dran!