GLOBAL 2000 ist Österreichs führende, unabhängige Umweltschutzorganisation. Als aktiver Teil von Friends of the Earth International (FOEI) kämpft Global 2000 für eine intakte Umwelt, eine zukunftsfähige Gesellschaft und nachhaltiges Wirtschaften. Auf seiner Internetseite schreibt die Organisation über sich selbst:
GLOBAL 2000 deckt auf
GLOBAL 2000 beobachtet konsequent und kritisch die umweltpolitischen Entwicklungen in Österreich und deren Auswirkungen auf unser tägliches Leben. Wir haben Giftmüllskandale aufgedeckt, die Bleibelastung des Trinkwassers in Altbauten ans Licht gebracht, Baumärkte mit ihren Verkäufen von illegalem Tropenholz konfrontiert, die massive Belastung der spanischen Paprika mit Pestiziden entdeckt und den Skandal um die Grundwasservergiftung in Korneuburg (NÖ) ins Rollen gebracht. Wir sorgen dafür, dass all diese Missstände und Unfälle an die Öffentlichkeit kommen, machen Druck auf die zuständigen Behörden und schöpfen alle rechtlichen Maßnahmen aus, um Politik und Wirtschaft zum Umdenken zu bewegen.
Sehr lobenswert, möchte man meinen. Am 21. Mai 2014 unterlief Global 2000 jedoch eine peinliche Panne. Per Pressemitteilung verbreitete die Lobbygruppe folgende Verlautbarung:
GLOBAL 2000 warnt: Klimawandel forciert Hochwasser in Mitteleuropa
Die aktuellen dramatischen Ereignisse zeigen die Notwendigkeit von Klimaschutz und adäquaten Anpassungsmaßnahmen auf.Nach dem Jahrhundert-Hochwasser im vergangenen Jahr und den schweren Überflutungen in Großbritannien ist aktuell wieder ein großer Teil Europas von schweren Überflutungen betroffen. „Schäden an Personen, Leib und Leben wiegen am schwersten, aber auch manche Sachschäden haben großen Wert und können nur schwer ersetzt werden. Wir fühlen mit den Betroffenen, möchten aber auch darüber informieren, dass Österreich und weite Teile Europas in Zukunft sogar von noch stärkeren Hochwassern betroffen sein könnten“, sagt Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von GLOBAL 2000. So weist der letzte Teil des Berichts des Weltklimarates, der sich mit den Auswirkungen der globalen Erwärmung befasst, darauf hin, dass sich das Risiko von Hochwasser in Europa mittel- und langfristig massiv erhöhen wird, wenn nicht gegen gesteuert wird.
Mehr Hochwasser in einem wärmeren Mitteleuropa? Die Wissenschaft hat sich mit dieser Fragestellung bereits ausführlich beschäftigt und kommt zu einem gänzlich anderen Ergebnis. Ganz offensichtlich haben sich die Global 2000-Lobbyisten mit der wissenschaftlichen Seite der Thematik gar nicht richtig beschäftigt.
1) Die seriöse Wissenschaft geht davon aus, dass in Mitteleuropa künftig wohl eher mit WENIGER Hochwasser zu rechnen ist:
- Neue begutachtete Studie in Nature Climate Change: Klimawandel lässt Hochwasser in Europa wohl in Zukunft seltener werden
- Neue schweizerische Studien: Künftig weniger Hochwasser in den Zentralalpen – Sonnenaktvität übt signifikanten Einfluss aus
2) In Mitteleuropa hat es stets einen natürlichen Wechsel von Hochwasser-reichen und -armen Phasen gegeben. Dies wird in der alarmistischen Pressemitteilung glatt unterschlagen.
3) Die schlimmsten Hochwässer ereigneten sich in der Regel in den KÄLTEPHASEN:
- Studie dokumentiert für die vergangenen 500 Jahre vier Hochwasserphasen in der Schweiz: Schlimmste Flutkatastrophen-Periode ereignete sich vor 250 Jahren
- Extremregen war in den Französischen Alpen während der Kleinen Eiszeit häufiger als heute
- Flüsse im Alpenvorland halten sich nicht an die IPCC-Vorgaben: Mehr Überflutungen in Kälteperioden als in Wärmeperioden
4) Historische und geologische Studien zeigen, dass hierbei ganz offensichtlich die schwankende Sonnenaktvität eine große Rolle spielt. Auch dies bleibt von Global 2000 unerwähnt:
- Neue Flutrekonstruktion aus den Südalpen: Schwache Sonne führte in den vergangenen 2000 Jahren stets zu mehr Hochwasser
- Hochwasser in Norditalien ereigneten sich bevorzugt zu Zeiten geringer Sonnenaktivität
- Flutkatastrophen am bayerischen Ammersee vor allem während solarer Schwächephasen
5) Statistische Berechnungen zeigen, dass Hochwasser in Mitteleuropa in den vergangenen 500 Jahren nicht häufiger geworden zu sein scheinen. Weil immer mehr Menschen an die Ufer zogen, stiegen aber die Schäden durch Hochwasser. Zieht man diesen Wertzuwachs-Effekt jedoch ab, zeigt sich Berechnungen zufolge keine ungewöhnliche Zunahme in den vergangenen vier Jahrzehnten (QUELLE: Spiegel Online v. 6.6.2013).
Lesen wir weiter in der Pressemitteilung von Global 2000:
Durch den Klimawandel werden sich einige grundlegende Faktoren ändern, die Extremwetterereignisse beeinflussen. So ist beispielsweise die Schneefallgrenze in Österreich kontinuierlich im Steigen begriffen, seit 1950 ist sie bereits um 100 Meter hinauf gewandert. Wenn in großen Höhen Regen statt Schnee fällt, steigen die Pegelstände der Flüsse noch höher. In Österreich wird ein weiterer Anstieg der Schneefallgrenze erwartet, pro Grad Temperaturerwärmung um etwa 150 Meter. Schon bis Mitte des Jahrhunderts ist ein Anstieg der Temperaturen im Alpenraum um weitere ein bis zwei Grad prognostiziert. „Wenn in großen Höhen Regen anstatt Schnee fällt, fallen Hochwasser schlimmer aus. Die gleiche Wetterkonstellation hat bei einem Temperaturanstieg also viel drastischere Auswirkungen, als bei aktuell niedrigeren Temperaturen“, erklärt Wahlmüller.
Ist der Lobbygruppe eigentlich bekannt, dass die Alpenwinter in den letzten 25 Jahren nicht wärmer, sondern kälter geworden sind? Da nützen Betrachtungen zur Schneefallgrenze über 50 Jahre herzlich wenig, wenn sich der Trend offenbar seit einem Vierteljahrhundert umgedreht hat.
- Dominik Jung: Alpenwinter sind in den letzten 20 Jahren kälter geworden
- Winter in Deutschland werden seit einem Vierteljahrhundert deutlich kälter
- Alpenwinter werden seit 26 Jahren kälter
Lesen wir weiter in der Pressemitteilung von Global 2000:
Weiters halten es KlimawissenschafterInnen für sehr wahrscheinlich, dass im Zuge der Erwärmung des Mittelmeeres mehr Wasser verdunsten wird, was potenziell zu höheren Regenmengen führen kann. Je nach Wetterlage kann diese dann dort zu heftigeren Starkregenereignissen führen, wo die Wolkenfront dann auftrifft – häufig sind das die Alpen. Das Risiko erhöht sich aber auch mit der immer weiter voranschreitenden Verbauung in Österreich. Allen Warnungen zum Trotz werden pro Tag in Österreich 20 Hektar Land für Straßen, Gebäude und Infrastruktur geopfert – pro Jahr ist das eine Fläche, die größer ist als die Stadt Salzburg. „Bebautes Land verliert nicht nur all seine ökologischen Funktionen, es kann dort auch kein Wasser versickern. In der Folge steigt das Hochwasserrisiko weiter an. In der Raumordnungspolitik sollten deshalb rasch weiterführende Schritte gesetzt werden, die die Zersiedelung in die Schranken weisen“, fordert Wahlmüller.
Richtig. Das war des Pudels Kern. Die Tagesschau hatte bereits Mitte 2013 über das wahre Problem berichtet:
80 Prozent der natürlichen Überflutungsräume an Deutschlands Flüssen sind durch Begradigungen und Deiche verloren gegangen. Eine Folge ist, dass die Hochwasserwelle viel schneller den Fluss hinunterrauscht. Nach Untersuchungen des WWF-Aueninstituts braucht sie für die Strecke Basel-Karlsruhe am Rhein heute 30 Stunden. 1955 waren es noch 65 Stunden. Es bleibt viel weniger Zeit für die Anwohner, zu reagieren. Zudem bäumt sich das Wasser in dem engen Bett höher auf. […] 1990 haben die Länder am Rhein vereinbart, wie viel Platz sie diesem Fluss wieder einräumen wollen. Aber nur die Hälfte dieser Planungen sind bisher umgesetzt worden. An der Elbe werden und wurden zwar auch Deiche zurückverlegt, etwa bei Lenzen in Brandenburg und bei Dessau in Sachsen-Anhalt. Aber alles zusammen macht das nur 1 Prozent der verlorenen natürlichen Überflutungsflächen aus.
Und Mojib Latif hatte 2013 im Nordkurier gesagt:
LATIF: Was sind die größten Versäumnisse beim Hochwasserschutz? Es wurde viel zu dicht an den Flüssen gebaut. Die Flüsse holen sich bei Hochwasser die Urstromtäler zurück. Es müssen mehr Flussabschnitte renaturiert werden. Leider haben sich einige Kommunen in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über den Hochwasserschutz verzettelt.
Schließlich noch einnmal zurück zum Schlußabsatz der Global 2000-Pressemitteilung:
Es müssen endlich Maßnahmen ergriffen werden, die gewährleisten, dass die österreichische Bevölkerung möglichst große Sicherheit vor Hochwassergefahren bekommt. „Den betroffenen Menschen muss im Akutfall rasch und unbürokratisch geholfen werden, es sollten dann aber auch Strategien verfolgt werden, die die langfristigen Klimagefahren minimieren. Das bedeutet vor allem, dass Österreich seinen fairen Beitrag zur Verringerung von Klimagefahren leistet und ambitionierte Zielsetzungen auf EU-Ebene unterstützt“, betont Wahlmüller abschließend.
Was könnten dies für Maßnahmen sein? Was genau meint die Organisation mit ‚Klimagefahr‘? Glaubt sie wirklich an die naiv-simplistische Gleichung „mehr CO2 = mehr Hochwasser“, die wissenschaftlich offensichtlich unhaltbar ist? Der SWR hatte 2013 bereits gemeldet, was österreichischen Politikern wirklich durch den Kopf geht:
Aus Sicht Österreichs hat deutsches Missmanagement beim Hochwasserschutz die Katastrophe verstärkt. Der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner übte indirekt Kritik an der Politik Deutschlands. Er wolle nicht direkt von Fehlern sprechen, aber: “Ich glaube, es waren langfristige Fehlentwicklungen, die auch teilweise vorher Experten mitgetragen haben”, sagte der Politiker der konservativen ÖVP vor dem Treffen der EU-Energieminister in Luxemburg .Dass es günstig sei, Flüsse in Korsette zu zwingen oder auf Auengebiete zu verzichten habe sich mittlerweile als “eher gewagte Überlegung” herausgestellt, meinte der Minister. Die Expertenmeinung gehe jetzt in eine andere Richtung. Man müsse jetzt wirklich prüfen, “inwieweit man da jetzt auch vom Zeitpunkt her Rückbauten machen kann”, so der Minister.
Die Umweltgruppe Global 2000 muss ihren Pressetext und ihre Hochwasserargumentation dringend überarbeiten und öffentlich richtigstellen. Global 2000 sollte sich durch schludrige Recherchepannen wie jene zum Hochwasser nicht den guten Ruf zerstören, den sie sich durch andere lobenswerte und nützliche Umweltschutzbemühungen mühsam erarbeitet hat.