„Man müsste mal wieder etwas Bedrohliches zur Antarktis machen“ hatte man sich wohl im IPCC-nahen Umfeld gedacht. Der große Südkontinent hatte den Anhängern der Klimakatastrophe in letzter Zeit nun wirklich nicht besonders viel Freude bereitet. Noch nie in der gesamten Satellitenära war das antarktische Meereis im April weiter ausgedehnt als heute (Abbildung 1). Niemand hatte es kommen sehen – wie peinlich.
Abbildung 1: April-Ausdehnung des antarktischen Meereises für die letzten 35 Jahre. Quelle: NSIDC.
Die letzten 10 Jahre waren im Durchschnitt die eisreichsten Jahre des gesamten Messdatensatzes. Der langfristige Eistrend zeigt trotz Schwankungen von Jahr zu Jahr klar nach oben (Abbildung 2). Antarktis schmilzt schneller als je zuvor? Pustekuchen!
Abbildung 2a: Antarktische Meereisbedeckung während der vergangenen 35 Jahre. Quelle: The Cryosphere Today, 17. Mai 2014.
Und wie sieht es bei den antarktischen Temperaturen aus? Auch hier eine Überraschung laut dem RSS-Satellitendatensatz ist es in den letzten 35 Jahren kein bisschen wärmer geworden (Abbildung 2b). Siehe auch weitere Daten zur Abkühlung der Antarktis von Paul Homewood. Unerwartet auch das Ergebnis einer Studie von Abram et al. aus dem Mai 2014 im Fachmagazin Nature Climate Change: Die Antarktis hat sich während der letzten 1000 Jahre auch langfristig abgekühlt, nämlich um 0,4°C .
Abbildung 2b: Temperaturentwicklung in der Antarktis seit 1980 laut RSS-Satellitendatensatz. Die Region hat sich seitdem nicht erwärmt. Graphik: Real Science.
Der Freundeskreis des Weltklimarats lies sich von den Fakten nicht beirren. Man war sich doch ganz sicher, dass sich die Klimakatastrophe in voller Fahrt befindet. Das Volk braucht griffige Vergleiche, um den Ernst der Lage zu realisieren. Bei einer Flasche leckerem Rotwein kam dem Potsdam-Institut PIK eine pfiffige Idee. Gesagt, getan, am 5. Mai 2014 gab das PIK die folgende bedrohlich wirkende Pressemitteilung heraus (Auszug):
Entkorken der Ost-Antarktis führt zu Anstieg des Meeresspiegels
Das Abschmelzen bereits einer kleinen Menge Eis an der ostantarktischen Küste könnte eine große Wirkung haben – nämlich dass große Eismassen unaufhaltsam jahrtausendelang in den Ozean fließen und damit den Meeresspiegel ansteigen lassen. Dies zeigt eine jetzt von Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) veröffentlichte Studie in Nature Climate Change. Die Ergebnisse beruhen auf Computersimulationen des antarktischen Eisflusses mit verbesserten Daten zum Untergrund der Antarktis. „Das Wilkes-Becken der Ost-Antarktis ist wie eine gekippte Flasche“, erklärt Leitautor Matthias Mengel, „wenn der Korken gezogen wird, entleert sie sich.“ Das Becken bildet das größte marine Landeis-Gebiet in der Region. Derzeit hält ein Eisstück an der Küste die dahinter liegenden Eismassen zurück: eben wie ein Korken, der den Inhalt einer Flasche zurückhält. Ein Abschmelzen von Eis an der Küste könnte diesen relativ kleinen Korken verschwinden lassen – und damit einen Meeresspiegelanstieg von 300 bis 400 Zentimetern verursachen. „Der vollständige Meeresspiegelanstieg wäre letztlich bis zu 80 mal größer als der durch das anfängliche Abschmelzen des Eiskorkens“, sagt Ko-Autor Anders Levermann. „Bislang galt nur die Westantarktis als instabil, aber jetzt wissen wir, dass ihr zehnmal größeres Gegenstück im Osten möglicherweise auch in Gefahr ist“, sagt Levermann, der die Forschung zu globalen Anpassungs-Strategien am PIK leitet und einer der Leitautoren des Meeresspiegelkapitels im aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) ist.
Korken raus, Wasser steigt. Das kann sich jeder Laie gut vorstellen. Wem ist nicht schon einmal eine Flasche auf dem Tisch ausgekippt. Der Co-Autor der Studie, Anders Levermann, hat bei seinem wissenschaftlichen Ziehvater Stefan Rahmstorf viel gelernt. Erst im letzten Absatz der Pressemitteilung räumen die Potsdamer schließlich ein, dass der ganze Schmelzprozess nicht von heute auf morgen abläuft, sondern laut Modellierung fünf- bis zehntausend Jahre in Anspruch nimmt. In der offiziellen Kurzfassung der Arbeit fehlt die Angabe zum Zeitraum sogar vollständig. Schauen wir hierzu in die entsprechende Abbildung aus der Publikation (unsere Abbildung 3, entspricht Abbildung 4a aus Mengel & Levermann 2014): Ein Meeresspiegelanstieg von drei Metern in 5.000 Jahren entspricht einer mittleren Anstiegsrate von 0,6 mm pro Jahr! Die ganze Geschichte entpuppt sich als Sturm im Wasserglas. Die Anstiegsrate lassen die beiden PIK-Leute in ihrer Pressemitteilung einfach aus. Man spürt deutlich, dass hier zwei Forscher zugange waren, die auf der Suche nach möglichst spektakulärer medialer Klimaalarm-Berichterstattung waren.
Abbildung 3: Meeresspiegelbeeinflussung nach „Entkorken der Ostantarktis“. Aus Mengel & Levermann 2014.
Unberücksichtigt scheint wohl geblieben zu sein, dass in Zeiträumen von mehr als 5.000 Jahren auch die Milankovic-Zyklik zum Tragen kommt. Die verschiedenen Erdbahnparameter ändern sich zyklisch mit Periodenlängen von etwa 20 000, 40 000 und 100 000 beziehungsweise 400 000 Jahren. Dies führt dazu, dass das geographische und zeitliche Einstrahlungsmuster schwankt. Durch die ungleichmäßige Landmassenverteilung sowie jahreszeitliche Effekte ergeben sich hierdurch größere Klimaänderungen. Diese Vorgänge spielen sich unabhängig von primären Änderungen der Sonnenaktivität ab. Den Milanković-Zyklen wird eine führende Rolle beim Wechselspiel der Eiszeiten und Warmzeiten der letzten 1,5 Millionen Jahre zugeschrieben. So startet im Milanković-Takt etwa alle 100 000 Jahre eine neue Eiszeit, gefolgt von einer kurzen Warmzeit von etwa 10.000 Jahren. Nach nun mittlerweile 12.000 Jahren aktueller Warmzeit wird es allmählich Zeit, sich Gedanken über den Beginn einer neuen Eiszeit zu machen.
Interessanterweise taucht der Begriff „Milankovic“ überhaupt nicht in der Korken-Publikation von Mengel & Levermann auf…
Weiterhin ist bemerkenswert, dass es in der PIK-Studie keinerlei Hinweis auf eine Nature-Arbeit aus dem Vorjahr (2013) von Miles et al. gibt, die dokumentierte, dass zwischen 1990 und 2000 satte 72% aller Gletscher der Ostantarktis an Masse zunahmen und vorrückten. Im darauffolgenden Jahrzehnt waren es noch immer mehr als die Hälfte aller Gletscher (58%), die wuchsen. Auszug aus der Kurzfassung der Arbeit:
Here we present multidecadal trends in the terminus position of 175 ocean-terminating outlet glaciers along 5,400 kilometres of the margin of the East Antarctic ice sheet, and reveal widespread and synchronous changes. Despite large fluctuations between glaciers—linked to their size—three epochal patterns emerged: 63 per cent of glaciers retreated from 1974 to 1990, 72 per cent advanced from 1990 to 2000, and 58 per cent advanced from 2000 to 2010. These trends were most pronounced along the warmer western South Pacific coast, whereas glaciers along the cooler Ross Sea coast experienced no significant changes. We find that glacier change along the Pacific coast is consistent with a rapid and coherent response to air temperature and sea-ice trends, linked through the dominant mode of atmospheric variability (the Southern Annular Mode).
Laut Boening et al. 2012 hat das Eis der Ostantarktis von 2009 bis 2011 um 350 Milliarden Tonnen zugenommen. Der Eiszuwachs dieser Region hat einen negativen Beitrag zum globalen Meeresspiegelanstieg von 0,32 mm/Jahr geliefert. Auszug aus der Kurzfassung:
East Antarctica has remained comparably stable. In this study, we describe the causes and magnitude of recent extreme precipitation events along the East Antarctic coast that led to significant regional mass accumulations that partially compensate for some of the recent global ice mass losses that contribute to global sea level rise. The gain of almost 350 Gt from 2009 to 2011 is equivalent to a decrease in global mean sea level at a rate of 0.32 mm/yr over this three-year period.
Auch King et al. dokumentierten in einer 2012 in Nature publizierten Studie für den Zeitraum 2002-2010 einen signifikanten Zuwachs der ostantarktischen Eiskappe. Das westantarktische Eis hingegen änderte sich kaum und blieb von der Masse her stabil. Auszug aus der Kurzfassung:
We resolve 26 independent drainage basins and find that Antarctic mass loss, and its acceleration, is concentrated in basins along the Amundsen Sea coast. Outside this region, we find that West Antarctica is nearly in balance and that East Antarctica is gaining substantial mass.
Wie kann dies sein? Osipov et al. (2014) konnten zeigen, dass in den letzten 25 Jahren mehr Schnee in der Ostantarktis neu abgelagert wurde als zu den meisten Zeiten der letzten 900 Jahre.