Es stand in der kalten Sonne…Nature Geoscience veröffentlicht Kritik an fragwürdigem Antarktisartikel

Ende Dezember 2012 berichteten wir an dieser Stelle über eine Studie von Bromwich et al. in Nature Geoscience zur Erwärmung der Westantarktis, die angeblich dreimal schneller als der globale Durchschnitt abläuft. In der Kurzfassung lesen wir:

Here, we present a complete temperature record for Byrd Station, in which observations have been corrected, and gaps have been filled using global reanalysis data and spatial interpolation. The record reveals a linear increase in annual temperature between 1958 and 2010 by 2.4±1.2 °C, establishing central West Antarctica as one of the fastest-warming regions globally.

Die Süddeutsche Zeitung war entzückt und berichtete prompt. Schaut man sich jedoch die Temperaturgraphen der Arbeit genauer an, fällt einem vor allem eines ins Auge, nämlich dass es in den vergangenen 25 Jahren überhaupt nicht wärmer geworden ist (siehe unseren Blogartikel „Westantarktis erwärmt sich schneller als gedacht – allerdings kein bisschen in den letzten 25 Jahren„). Es stellte sich sogleich die Frage, wie eine solche Studie überhaupt die Begutachtung überstehen konnte.

Und in der Tat, schnell waren die ersten Fehler gefunden. In einem hastig nachgeschobenen, vorweihnachtlichen Corrigendum räumten die Autoren einen peinlichen Rechenfehler ein, der die Dezember-Januar-Temperaturen betraf:

For 1980–2010, the trend should have been 0.29 ± 0.53 °C per decade, instead of 0.76 ± 0.66 °C per decade, and thus was not statistically significant. As a result, the last sentence of the section entitled “Temperature trends at Byrd Station”, referring to the significance of the trends during 1980–2010, should not include “except for December–January”.

Statt 0,76°C pro Jahrzehnt waren es dann doch nur knapp 0,3°C. Da lagen Bromwich et al. um knapp ein halbes Grad, also 150% zu hoch. Mathe sechs, setzen.

Ende März 2014 passierte dann etwas wirklich Überraschendes. Nature Geoscience veröffentlichte eine Entgegnung zur Bromwich et al.-Arbeit, in der weitere statistische Mängel bei der Trendbetrachtung in der Ausgangsarbeit festgestellt wurden. Die Unsicherheit wäre viel zu hoch, um einen signifikanten Trend zu proklamieren:

How significant is West Antarctic warming?
Armin Bunde, Josef Ludescher, Christian L. E. Franzke, Ulf Büntgen

To the Editor
Bromwich et al. present a monthly temperature record for central West Antarctica that spans 1958 to 2010, using observations from Byrd station that have been corrected and gap-filled. A regression analysis reveals a warming of 2.44 °C over this period. To evaluate the significance of this warming trend, Bromwich…

Weiterlesen (für Abonnennen) auf nature.com.

Die Autoren der Entgegnung stammen vom Institut für Theoretische Physik der Universität Giessen, vom Meteorologischen Institut der Universität Hamburg sowie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im schweizerischen Birmensdorf.

Wie üblich in solchen Fällen, bekamen die Verfasser der Originalarbeit die Möglichkeit, auf die Kritik zu antworten. Zwei der ursprünglich sieben Autoren (Bromwich & Nicolas) versuchten sich an einer „Reply“. Allerdings misslingt der Versuch einer Rechtfertigung. Anstatt den Vorhalt statistischer Fehler zu entkräften, weichen die beiden Forscher dem Hauptproblem aus und texten ins Leere.

Da die Süddeutsche Zeitung damals ausführlich über den Originalartikel berichtete, wäre es jetzt recht und billig, auch die Leser über die Kritik an der Arbeit zu informieren. Warten wir es ab. Süddeutsche Zeitung, bitte übernehmen Sie.

[UPDATE vom 14.4.2014: SZ-Redakteur Christopher Schrader teilte soeben per Email mit, dass er keinen Anlasse sehe, den SZ-Artikel zu korrigieren oder zu ergänzen.]