Seit nunmehr 16 Jahren ist die globale Temperatur nicht mehr angestiegen – und keines der vormals in höchsten Tönen angepriesenen Klimamodelle hatte den Erwärmungshiatus kommen sehen. Noch immer rätselt die Wissenschaft, wie dies passieren konnte. Im Halbjahrestakt werden nun Hypothesen auf den Markt geworfen, weshalb das Thermometer nicht mehr ansteigt. Mal sollen die Temperaturmessungen in der Arktis unvollständig sein, mal werden kühlende Vulkane aus dem Hut gezaubert, und wieder ein anderes Mal soll chinesischer Ruß aus der Kohleverbrennung der Schuldige sein. Richtig überzeugen konnte allerdings bisher noch keine dieser im Freistilverfahren vorgebrachten Ideen.
Mitte Februar 2014 war es nun wieder so weit. Ein halbes Jahr war vergangen, und es war Zeit für ein neues Rettungssmodell. Eine Forschergruppe um Matthew England von der australischen University of New South Wales veröffentlichte im Fachmagazin Nature Climate Change eine Studie, laut derer ungewöhnlich starke Passatwinde über dem Pazifik warmes Wasser in der Tiefsee versinken lassen. Bild der Wissenschaft berichtete:
England und seine Kollegen hatten den Pazifik im Verdacht. In den 1990er Jahren legten jene Passatwinde, die über dem Ozean gen Äquator wehen, deutlich an Stärke zu. Aber nur etwa 50 Prozent dieser Veränderung ist anhand bekannter Zyklen zu erklären. Über weitere Ursachen können die Forscher nur spekulieren. Die Folgen hingegen sind eindeutig: Die Winde verstärken bestehende Strömungen, die kaltes Wasser aus den Tiefen des Meeres an die Oberfläche bringen und warmes Wasser wieder mit in die Tiefe reißen. Während also die Temperaturen an der Oberfläche des Ostpazifiks sinken, nehmen die Wassermassen in Tiefen unterhalb von 125 Metern mehr und mehr Wärme auf. In Simulationen trug dieser Mechanismus maßgeblich zum derzeitigen Erwärmungsstopp bei.
Wie praktisch. Man lässt das warme Wasser einfach in der Tiefe versinken, abseits der heute existierenden Messnetze. Da eine flächendeckende Temperaturüberwachung der Tiefsee nicht existiert, kann dass wunderbare neue theoretische Modell weder widerlegt, noch bestätigt werden. Das ist so wie eine Wettervorhersage für den Pluto, die man auch nicht verifizieren kann. Aber das Paper bietet auch zu einer anderen drängenden Frage eine Antwort an: Wann geht es nun endlich weiter mit der angekündigten Klimakatastrophe, die uns alle rösten wird? Bild der Wissenschaft schreibt hierzu:
„Diese Ergebnisse legen nahe, dass eine zügigen Erwärmung der Oberfläche zu erwarten ist, sobald die Passatwinde nachlassen – schließlich steigt die Konzentration von Treibhausgasen weiter“, sagt Richard Allan, Klimawissenschaftler an der University of Reading, der nicht an der Studie beteiligt war. Die Autoren berechnen, dass die Verschnaufpause spätestens 2020 zu Ende sein wird – selbst, wenn es über dem Pazifik außergewöhnlich windig bleibt.
Zweitausendzwanzig – das gibt den Freunden des Klimaalarmismuss noch sechs weitere schöne Jahre, in denen sie auf die schon bald wiedererwachende Klimakatastrophe verweisen können. Und was passiert in dem gar nicht so unwahrscheinlichen Fall, dass auch bis 2030 keine Erwärmung stattfindet? Dann kommt halt eine neue Hilfshypothese. Denn eines steht fest: Die Katastrophe kommt – und wir haben Schuld.
Machen wir uns jetzt noch einmal die Mühe und schauen etwas genauer in das Nature Climate Change-Paper hinein. Haben die deutschen Medien bei ihrer enthusiastischen Berichterstattung vielleicht eine Kleinigkeit übersehen? Ja, haben sie leider. Bereits 2006 hatte nämlich eine in Nature veröffentlichte Studie eines Teams um den NOAA-Forscher Gabriel Vecchi das genaue Gegenteil gefunden (mit Dank an WUWT). Der bemerkenswerte Titel der Studie lautet:
Weakening of tropical Pacific atmospheric circulation due to anthropogenic forcing
Auszug aus der Kurzfassung:
Here we explore changes in tropical Pacific circulation since the mid-nineteenth century using observations and a suite of global climate model experiments. Observed Indo-Pacific sea level pressure reveals a weakening of the Walker circulation. The size of this trend is consistent with theoretical predictions, is accurately reproduced by climate model simulations and, within the climate models, is largely due to anthropogenic forcing. The climate model indicates that the weakened surface winds have altered the thermal structure and circulation of the tropical Pacific Ocean. These results support model projections of further weakening of tropical atmospheric circulation during the twenty-first century.
In der dazu herausgegebenen Pressemitteilung erläutern die Autoren:
The vast loop of winds that drives climate and ocean behavior across the tropical Pacific has weakened by 3.5% since the mid-1800s, and it may weaken another 10% by 2100, according to a study led by University Corporation for Atmospheric Research (UCAR) scientist Gabriel Vecchi. The study indicates that the only plausible explanation for the slowdown is human-induced climate change. The findings appear in the May 4 issue of Nature.
Was für eine Überraschung. Die tropischen Pazifikwinde haben sich in den letzten 150 Jahren abgeschwächt und sollten sich laut Klimamodellen auch im 21. Jahrhundert weiter abschwächen. Schuld sei wiederum der Mensch mit seinem ungebremsten CO2-Ausstoß. Wie passt dies nun damit zusammen, dass sich laut der neuen England et al.-Arbeit die Pazifik-Winde in den letzten Jahren verstärkt hätten? Hat hieran jetzt auch der Mensch Schuld? Es wird immer klarer, egal wie die Winde wehen, stets ist es der Mensch, der seine Finger im Spiel haben soll. Es kommt das ungute Gefühl auf, dass sich die Menschheit hier in ihrer Potenz deutlich überschätzt. Schon bald werden findige Forscher vermutlich auch den Sonnenauf- und untergang dem CO2-Ausstoß anlasten. Nature und Nature Climate Change halten bereits einen Platz in ihren Heften für diese Studie bereit.
Spaß beiseite. Den Forschern wird momentan immer stärker bewusst, dass sie wohl den 60-jährigen pazifischen PDO-Ozeanzyklus dummerweise übersehen hatten. Die neue Arbeit in Nature Climate Change von Matthew England und Kollegen führt letztendlich die Erwärmungspause auf die PDO zurück, so wie wir es bereits Anfang 2012 in unserem Buch „Die kalte Sonne“ getan hatten. Damals konnten sich die Klimaforscher noch nicht mit der Idee anfreunden und schossen scharf zurück. Heute hat sich dies grundlegend geändert. Der Focus schreibt zur neuen Studie:
Der Anstieg der globalen Lufttemperatur wurde seit Anfang des 20. Jahrhunderts zwei Mal unterbrochen – zunächst zwischen den 1940er- und 1970er-Jahren. Danach stieg die Temperatur erneut. „Seit etwa 2001 vollzog sich eine ausgeprägte Pause in der weltweiten Oberflächen-Erwärmung und warf Fragen auf über ihre Ursache, ihre mutmaßliche Dauer und die Folgen für den globalen Klimawandel ”, schreiben die Wissenschaftler. Forscher vermuteten, dass beide Stagnationsphasen mit der Pazifischen Dekaden-Oszillation zusammenhängen. Ursache davon sind starke Schwankungen zwischen einer positiven Phase, verbunden mit einem warmen tropischen Pazifik und schwachen Passatwinden, und andererseits einer negativen Phase, mit kühlem Pazifik und starken Passatwinden. Die Forscher prüften, ob die jüngste Pause der Lufterwärmung mit einer negativen PDO-Phase und einer verstärkten Wärmeaufnahme des Ozeans zusammenhängt. Tatsächlich nahmen seit den 1990er-Jahren die Pazifik-Passate extrem an Stärke zu, deutlich mehr als die PDO allein erkläre. Dazu trugen demnach wahrscheinlich auch andere Faktoren bei, etwa eine ungewöhnliche Erwärmung des Indischen Ozeans. [Anmerkung Redaktion dkS: im Originaltext des Focus wird die PDO als IPO abgekürzt].
Es hat ein wenig gedauert, bis die PDO-Idee in den Köpfen der Klimawissenschaftler ankam. Nun ist sie da und verankert sich immer fester. Sogar die vorangegangene Erwärmungspause 1940-1977 kann jetzt diesem Ozeanzyklen-Phänomen zugeordnet werden. Noch vor kurzem wurden hierzu ominöse, nicht dokumentierte anthropogene Aerosol-Schwankungen bemüht. Dies alles ist ein schöner Fortschritt, denn noch vor gut einem Jahr hatte derselbe Matthew English in einem von Sarah Clarke geführten Interview auf ABC News die Erwärmungspause der letzten 16 Jahre plump abgestritten:
SARAH CLARKE: And there’s been criticism in the past of whether or not the IPCC is on track. Is that quashing that criticism?
MATT ENGLAND: Oh absolutely. There are people actually out there trying to say that the IPCC has overstated or overestimated climate change. This report shows very clearly that the projections have occurred.
SARAH CLARKE: So the forecast was of a predicted rise of 0.7 to 1.5 degrees, is that right?
MATT ENGLAND: That’s right, and it’s by 2030, so we’re halfway through this projected period. And the warming to date is consistent with that projection. And so anybody out there lying that the IPCC projections are overstatements or that the observations haven’t kept pace with the projections is completely offline with this. The analysis is very clear that the IPCC projections are coming true.
Er behauptete also damals im Dezember 2012, die Modelle hätten alles prima im Griff und alle die das Gegenteil behaupten wären Lügner. Ja genau, er benutzte das schlimme Wort „‚Lügner‘. Heute, nur 14 Monate später veröffentlicht English also ein Paper, in dem er eine Erklärung für den fehlenden Temperaturanstieg anbietet. Ist er jetzt plötzlich auch ein ‚Lügner‘ oder hatte er sich damals vielleicht nur geirrt und diejenigen, die auf die Erwärmungspause hinwiesen waren vielleich gar keine Lügner? Schwieriges Thema. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.
Das scheint auch für Stefan Rahmstorf zu gelten, der bis vor kurzem noch gewagte statistische Kunststücke vollführte, um die Erwärmungspause seit 1998 zu kaschieren. Nun hat er es endlich auch eingesehen und berichtet ausführlich über die England et al.-Arbeit in seinem Klimalounge-Blog. Gerne übernimmt er die Idee der durch Pazifik-Winde versenkten Wärme. Allerdings versäumt er es dann, die daraus direkt abzuleitende Konsequenz einzugestehen: Ein gewichtiger Teil der Erwärmung 1977-1998 muss der entsprechenden wärmenden PDO-Ozeanzyklen-Phase zuzurechnen sein. Bislang hatte man diese Erwärmung voll und ganz dem CO2 angerechnet. Offenbar ist die Klimawirkung des CO2 also deutlich geringer, die sogenannte Klimasensitivität in den Modellen zu hoch angesetzt worden. Aber Rahmstorf wäre nicht Rahmstorf: Er schafft es doch tatsächlich, die Logik um 180 Grad zu verdrehen und das Gegenteil zu behaupten. Vielleicht ein Karnevalsscherz? In seinem Blog schreibt er:
Natürlich könnten auch andere Faktoren einen Teil zur jüngsten Verlangsamung im Anstieg der globalen Lufttemperatur beigetragen haben: erhöhte Aerosolverschmutzung der Luft, das letzte Sonnenminimum und Probleme mit fehlenden Daten in der Arktis. All die dokumentierten Beiträge zur Pause, von der ozeanischen Wärmeaufnahme über reduzierte Einstrahlung bis zu den Datenlücken, könnten die „Pause“ gleich zweimal erklären. Natürlich kann man diese Faktoren nicht einfach linear zusammenaddieren. Aber dennoch fragen sich viele Experten jetzt, warum in den letzten zehn Jahren nicht sogar eine erhebliche Abkühlung der globalen Durchschnittstemperaturen beobachtet wurde? Oder anders gesagt, warum ist die Differenz zwischen Modellprognosen und Beobachtung nicht noch größer? Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die aktuelle Generation von Klimamodellen möglicherweise eine zu geringe Klimasensitivität aufweist – wie es vor kurzem Sherwood et al im Blick auf die Wolkenphysik argumentierten. Ein Schluss den wohl niemand erwartet hätte, als in den Analysen zuerst die Divergenz von Modell und Beobachtungsdaten in der letzten Dekade auftauchte.
Herr Rahmstorf freut sich übrigens stets über Leserkommentare zu seinen Blogartikeln.