Unter den Solarphysikern herrscht weitgehend Konsens, dass die kommenden Jahrzehnte durch eine Solarflaute geprägt sein werden. Der Beginn hat sich in den letzten Jahren bereits eindrucksvoll gezeigt (siehe S. 299-302 in „Die kalte Sonne“). Die neuesten Arbeiten hierzu kommen von Feynman & Ruzmaikin (2011), Li et al. (2011a), Owens et al. (2011b) und Barnard et al. (2011). Jeffrey Love vom US Geological Survey studierte mit Kollegen das Sonnenmagnetfeld im letzten besonders inaktiven Minimum 2009 zwischen dem 23. und 24. Sonnenfleckenzyklus. Es unterscheidet sich deutlich von den Sonnenfleckenminima der vorangegangenen 12 Zyklen seit 1868 und erschien den Forschern ungewöhnlich, ja sogar seltsam, sagten sie jetzt in ihrer kürzlich dazu veröffentlichten Arbeit. Love und Kollegen vermuten daher größere Veränderungen im Sonnendynamo. Auch der Spiegel hatte bereits über die heraufziehende Solarflaute geschrieben (hier und hier). Nur Sami Solanki und seine Kollegin Natalie Krivova vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung schwimmen noch gegen den Strom und behaupten als Einzelmeinung einfach einmal, dass man es nicht so genau wissen kann. Wie praktisch. Denn damit liegt man immer richtig. Das „Nichts-Genaues-weiss-man-nicht“-Paper kam dem Weltklimarat natürlich gerade recht. Momentan entsteht der 5. Klimabericht des IPCC, da ist man für jede Unterstützung beim Kampf gegen die Klimawirkung der Sonne dankbar.
Die große Frage ist nun, ob die deutliche Abschwächung der Sonnenaktivität auch eine spürbare Abkühlung bringen wird. Wenn man sich die letzten 10.000 Jahre anschaut, so muss man diese Frage empirisch mit einem ganz klaren ja beantworten. Immer wenn die Sonne schwach wurde, knickten auch die Temperaturen um ein halbes bis ganzes Grad ein, je nach Ausmaß der Sonnenflaute. Man sollte daher eher andersherum fragen: Warum sollte dieser geologisch gut dokumentierte Kühleffekt plötzlich nicht mehr wirksam sein?
Naja, in der Natur ist er sicherlich noch vorhanden, nur in den aktuellen Klimamodellen fehlt er jetzt halt. Das hat kürzlich noch einmal Gareth Jones vom IPCC-nahen englischen Hadley Centre zusammen mit zwei Kollegen schön gezeigt. Sie veröffentlichten kürzlich im Journal of Geophysical Research eine Abschätzung für den Abkühlungseffekt der kommenden Solarflaute auf Basis der gängigen IPCC-Modelle. Da die Sonne in diesen Modellen kaum eine klimatische Wirkung hat und stattdessen für das CO2 eine stark überhöhte Klimasensitivität angenommen wird, hätten sich die Forscher ihre aufwendigen Modellierungen im Prinzip sparen können. Bei einem auf diese Weise gestrickten Modell kann nämlich nur eines herauskommen, nämlich dass die bevorstehende Abschwächung der Sonne klimatisch angeblich fast keine Auswirkung hätte. Genüsslich schreiben die Forscher von einem Abkühlungseffekt bis 2100 von maximal einem Zehntel Grad.
Ganz offen sagen Jones und seine Kollegen in ihrer Publikation, dass sie keinerlei Solarverstärker in ihre Modelle eingebaut haben, weder vom UV-Typ noch über die kosmische Strahlung. Dabei ignorieren die drei englischen Physiker und Mathematiker ganz die Geologie. Sie verschweigen den Lesern, dass die Temperaturgeschichte der letzten 10.000 Jahre ohne Solarverstärker nicht zu erklären ist. Sie verwenden also ein Modell, das die nacheiszeitliche Vergangenheit nicht reproduzieren kann. So ganz wohl ist dem Trio dann doch nicht dabei. Denn in der Kurzfassung ihres Artikels lassen sie sich zu folgendem aufschlussreichen Satz hinreißen: „Wenn jedoch die Änderung der solaren Gesamtstrahlung größer sein sollte sowie die Klimamodelle den Einfluss solarer Schwankungen unterschätzen würden, dann könnte die bevorstehende Verringerung der Sonnenaktivität einen kleinen Teil der zukünftigen [anthropogenen] Erwärmung ausgleichen. Dies ist ein Szenario, das wir nicht ausschließen können.“
Das nennt man ein klassisches Hintertürchen. Im Prinzip sagen sie: Falls Solarverstärker existieren, dann kann die Solarflaute der nächsten Jahrzehnte auch deutlich mehr als ein Zehntel Grad Abkühlung bringen. Ein wirklich schlauer Gedanke, denn sollte sich die Temperatur auch in den nächsten 5 Jahren standhaft weigern weiter anzusteigen (so wie es bereits seit 12 Jahren der Fall ist), so könnte man eleganterweise auf diese „Ausschlussklausel“ hinweisen.
Leider unterläuft Jones & Co. dabei noch ein Denkfehler. Die Berücksichtigung eines Solarverstärkers würde nämlich auch automatisch eine Verringerung der übertriebenen Klimawirkung des CO2 bedeuten. Logisch: Wenn die Sonne klimawirksamer wird, muss ein anderer Klimamechanismus in seiner Wirkung reduziert werden, denn es gibt insgesamt nur 0,8°C Erwärmung seit 1850, die es auf verschiedene Klimafaktoren aufzuteilen gilt. Eine auf diese Weise signifikant reduzierte CO2-Klimawirkung würde zu deutlich weniger anthropogener Erwärmung führen als von Jones et al. in ihrer Arbeit angenommen.
Insgesamt ist daher in den kommenden Jahrzehnten auch eine leichte Abkühlung oder andauernde Stagnation der Temperaturen möglich. Unter Berücksichtigung einer stärkeren Beteiligung natürlicher Klimafaktoren, analog zum vorindustriellen Referenzzeitraum der vergangenen 10.000 Jahre, ist dieses Szenario sicher das plausiblere. Diese Ansicht wird von etlichen Wissenschaftlern vertreten, darunter Nicola Scafetta, Don Easterbrook, Theodor Landscheidt, Habibullo Abdussamatov und ein norwegisches Team um Jan-Erik Solheim (siehe auch S. 316-318 in „Die kalte Sonne“). Auch erste Naturschutzgruppen scheinen dieser Argumentation mittlerweile folgen können, wie kürzlich die Südwest-Presse berichtete. Der dort befragte Steven Michelbach stellt sich jedenfalls auf zunehmend kältere Winter und kühlere Sommer ein. „Spaß macht mir das nicht“, sagt der engagierte Naturschützer.
Aber noch einmal kurz zurück zum Klimamodell von Gareth Jones und seinen Kollegen. In einer Abbildung zeigen die Forscher, mit welchen Klimaantrieben sie eigentlich gerechnet haben. Dabei fallen starke Vulkanausbrüche auf, die stets dann die Bühne der virtuellen Hadley-Centre-Welt betreten, wenn die Temperatur in den gemessenen Kurven kühler wurde. Nur mit diesen konzeptionellen (lies: vermutlich frei erfundenen) „vulkanischen“ Eingangsdaten können die Wissenschaftler die gute Passform ihrer modellierten Temperaturentwicklung gegenüber der historisch gemessenen Temperaturkurve der letzten 150 Jahre hinzaubern.
Vulkane sind für die Jones-Truppe die einzige Möglichkeit, die Temperatur im Modell runter zu bekommen. Dabei gibt es zwei andere natürliche Klimamechanismen die für die meisten Kühleffekte vermutlich in Wahrheit verantwortlich gezeichnet haben: Die kühle Phase der 60-Jahres-Ozeanzyklen (PDO/AMO/NAO) und Phasen verringerter Sonnenaktivität. Und diese mit Messdaten belegbaren Faktoren laufen zudem erstaunlich synchron (siehe Abbildungen S. 74 und 119 in „Die kalte Sonne“). Alles Zufall, werden Gareth Jones und seine Mannen dazu sagen. Und Kommissar Zufall muss auch bei Georg Feulner und Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) herhalten, die vor knapp zwei Jahren eine ganz ähnliche Abschätzung wie das Hadley Centre veröffentlicht hatten, mit vergleichbaren Ergebnissen. Es versteht sich von selbst, dass auch die PIK-Leute keinen Wert auf Solarverstärker legen.
Willkommen in der Welt der schrumpfenden Erde und mysteriös versinkenden Landbrücken ! (siehe Blog-Artikel „Kontinentalverschiebung und Klimawandel: Die wundersame Wiederholung der Wissenschaftsgeschichte“). Auch damals, vor 100 Jahren, ignorierten die Gegner des großen Alfred Wegeners einfach die zahlreichen in sich stimmigen Muster und taten die als puren Zufall ab. Wieviel Zufall können wir diesmal vertragen bis das Modell plötzlich in sich zusammenfällt?