Meeresspiegelanstieg durch Gletscherschmelze geringer als befürchtet

Hilfe, die Gletscher der Erde schmelzen. Das hat es noch nie gegeben. Fürchtet Euch sehr, das Ende ist nahe. So oder so ähnlich lautet der beliebte Klimaalarmistengesang, der der Bevölkerung einen ordentlichen Schrecken einjagen soll, damit sie sich klimatisch tugendhaft verhält. Aber schmelzen die Gletscher der Erde wirklich so rasch wie wir immer lesen? Waren die Gletscher in der Vergangenheit wirklich stets so stabil wie von einigen prominenten Klimaforschern suggeriert? Und steckt wirklich so viel Wasser in den Gletschern, dass die Sintflut unmittelbar bevorsteht? Wir begeben uns auf Spurensuche und stürzen uns hierzu in die aktuelle Fachliteratur, die leider nur unvollständig auf den Wissenschaftsseiten unserer Zeitungen referiert wird.

Im Januar 2013 publizierte der Gletscherexperte Aslak Grinsted vom Niels Bohr Institut der University of Copenhagen eine Übersichtsstudie im Fachmagazin The Cryosphere in der er die in den Gletschern der Erde heute gebundene Wassermenge bilanziert. Ausgeklammert wurden dabei die großen Eiskappen in Grönland und der Antarktis. Grinsteds Untersuchung ergab, dass beim kompletten Abschmelzen aller Gletscher der Erde der Meeresspiegel lediglich um 23 cm ansteigen würde. Wenn man die randlichen Einzelgletscher in Grönland und der Antarktis dazu nimmt, kämen weitere 12 cm hinzu. Interessanterweise liegen die neuen Werte deutlich unter den Annahmen des Weltklimarats, der bislang von insgesamt 50 cm ausgegangen war. Zuvor hatte bereits ein schweizerisches Forscherduo in einer Publikation im Journal of Geophysical Research im Oktober 2012 die in den Gletschern festgehaltene Wassermenge auf 43 cm heruntergesetzt. Die beiden Autoren Matthias Huss von der University of Fribourg und Daniel Farinotti von der ETH Zürich setzen dies mit einem Eisvolumen von 170.000 Kubikkilometern gleich.

Auch scheint die aktuelle Gletscherschmelze weniger dramatisch zu sein, als noch zuvor angenommen, wie Der Spiegel im Mai 2013 berichtete:

Satellitendaten enthüllen das weltweite Abschmelzen der Gletscher und den dadurch verursachten Anstieg des Meeresspiegels. Demnach entließen die Gletscher in den Jahren 2003 bis 2009 fast so viel Wasser ins Meer wie die gewaltigen Eisschilde von Grönland und der Antarktis zusammen. Mit der im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlichten Studie korrigieren die Wissenschaftler um Alex Gardner von der Clark University in Worcester (US-Bundesstaat Massachusetts) frühere Schätzungen über das Ausmaß des Gletscherschwunds minimal nach unten. Der letzte Uno-Klimareport hatte konstatiert, dass die Gletscher etwa doppelt so viel Schmelzwasser ins Meer spülen wie Antarktis und Grönland zusammen. Bisher basierten Studien über den weltweiten Eisverlust der Gletscher auf Messungen von einzelnen, leicht zugänglichen Gletschern auf größere Regionen. Doch die gemessenen Daten überschätzten offenbar den Eisschwund in den Kernzonen großer vergletscherter Gebiete. […] Im Beobachtungszeitraum dünnten vor allem Gletscher in Kanada und Alaska aus sowie in den Anden und im Himalaya. Die Gletscher an der Peripherie Grönlands büßten demnach jährlich 38 Gigatonnen ein, jene am Rand der Antarktis dagegen nur etwa 6 Gigatonnen. Die asiatischen Hochgebirge wie Himalaya, Hindukusch oder Karakorum verloren demnach etwa 29 Gigatonnen pro Jahr – deutlich weniger als die nach einer früheren Studie geschätzten 86 Gigatonnen.

Schauen wir nun etwas genauer hin und brechen zu einer virtuellen Forschungsreise durch die Welt der modernen Gletscherliteratur auf. Beginnen wollen wir in Skandinavien. Bereits vor einigen Wochen berichteten wir an dieser Stelle, dass die norwegischen Gletscher in den vergangenen Jahrtausenden oftmals deutlich kürzer waren als heute. Archäologische Funde an den Gletscherfronten belegen eindrucksvoll, dass es einst menschliches Leben in Gebieten gab, die später vom Gletscher überrollt wurden. So fanden Wissenschaftler eine Woll-Tunika aus vorwikingischer Zeit am norwegischen Lendbreen Gletscher, der um 300 n.Chr. gegen Ende der Römischen Wärmeperiode kürzer als heute war.

In der isländischen Eiskappe und seinen Gletschern sind etwa 3600 Kubikkilometer Eis enthalten, schätzt eine Forschergruppe um Helgi Björnsson von der University of Iceland in Reykjavík. Die Studie erschien im April 2013 in den Geophysical Research Letters. Würde dieses Eis komplett schmelzen, würde sich der Meeresspiegel global um etwa 1 cm erhöhen. Das Wissenschaftlerteam untersuchte auch den Schmelzverlauf in Island für die letzten 150 Jahre, seit Ende der Kleinen Eiszeit. Überraschenderweise fanden Björnsson und Kollegen, dass sich bereits in den 1920er bis 1940er Jahren einmal eine intensive Schmelzphase in Island ereignete. In den 1980er und frühen 1990er Jahren stabilisierten sich die Gletscher und wuchsen sogar zum Teil an. Seit 1995 schmilzt das Eis wieder, jedoch mit starken Schwankungen von Jahr zu Jahr. Das isländische Schmelzwasser hat in den letzten anderthalb Jahrzehnten den globalen Meeresspiegel um 0,03 mm pro Jahr ansteigen lassen, eine Zahl die sich schwer vorstellen lässt. Vorschlag: Nehmen Sie einmal ein Lineal und messen diesen Betrag ab. Schwierig? Dann nehmen Sie vielleicht Fingernägel. Der Fingernagel eines Babys ist etwa 0,05 mm stark, der von Erwachsenen jedoch bis zu 0,75 mm.

In der kommenden Folge unserer kleinen Gletscherrundreise geht es dann in die Alpen.

 

Foto: Iceland Grimsvoetn glacier, Wikipedia / This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.