Meeresspiegelanstieg durch grönländische Eisschmelze geringer als befürchtet: Poren des Eisschildes speichern große Mengen des Schmelzwassers

Vor ein paar Jahre noch fehlten lediglich die i-Tüpfelchen in den Klimamodellen. Mittlerweile wird jedoch immer klarer, dass man bislang wohl nur das i-Tüpfelchen selbst hatte und eher der lange Strich des i’s fehlte. Dies gilt auch für die Eisschmelze an den Polkappen. Jahrelang hatte man die Daten des GRACE-Schwerefeld-Satelliten falsch interpretiert und kam zu stark überhöhten Schmelzraten für Grönland. Mittlerweile hat sich das Wissen verbessert und die interpretierten Schmelzwerte sind signifikant gesunken (siehe unseren Blogartikel „Grönländische Eisschmelze auf dem Prüfstand: Eisverluste geringer als zuvor angenommen“). Aber auch beim Verständnis der grundlegenden Schmelzprozesse gab es bisher ernsthafte Defizite. Eigentlich hört es sich ganz logisch an, allerdings hatte man es wohl bislang einfach übersehen: Eis kann von oben und unten schmelzen. Eine Forschergruppe um Alexey Petrunin vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) stellte nun fest, dass man bei den Klimamodellen für das grönländische Inlandeis wohl den Wärmeeffekt des Untergrundes vernachlässigt hatte. In einer Pressemitteilung teilte das GFZ am 7. August 2013 mit (siehe auch Beitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 12. August 2013): 

Dieser Einfluss variiert räumlich sehr stark und hat seine Ursache in einer außergewöhnlich dünnen Lithosphäre. Daraus folgt ein erhöhter Wärmefluss aus dem Erdmantel und ein komplexes Wechselspiel zwischen dieser geothermischen Heizung und dem grönländischen Eisschild. Die internationale Initiative IceGeoHeat unter Leitung des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ stellt in der aktuellen Online-Ausgabe von Nature Geosciences (Vol. 6, 11. August 2013) fest, dass dieser Effekt bei der Modellierung des Eisschildes im Klimageschehen nicht vernachlässigt werden darf.

Eine Studie der University of Colorado in Boulder fand zudem, dass Schmelzwasser in Seen an der Oberfläche des Eises den Eisschild aufknackt (fracked) und destabilisiert, wenn die Wassersäule eine kritische Höhe überschreitet. Gute Nachrichten hatte hingegen eine Gruppe um Joel Harper von der University of Montana in Missoula zu berichten, die ihre Ergebnisse im November 2012 im angesehenen Fachmagazin Nature publizierten. Die Wissenschaftler fanden, dass große Mengen des grönländischen Schmelzwassers nicht einfach in die Ozeane abfließen und den Meeresspiegel erhöhen, sondern vielmehr in den Poren des Eisschildes gespeichert werden. Dabei ist dieses Porenspeichervolumen offenbar so groß, dass hier Platz für Schmelzwasser von mehreren Jahrzehnten existiert (siehe auch Beitrag von Lars Fischer in seinem Fischblog).

Auch bei den Satellitenbeobachtungssystemen ereigneten sich unerwartete Dinge. Im Februar 2013 vermeldete ein Satellit, dass das Eis an vielen Stellen der grönländischen Ostküste angeblich schmelzen würde – ein Ding der Unmöglichkeit mitten im Winter. Nun stellte sich heraus, dass im Berechnungsverfahren ein Fehler steckte, der nun eiligst korrigiert werden musste.

 

Foto oben rechts: Kim Hansen / Lizenz: This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, 2.5 Generic, 2.0 Generic and 1.0 Generic license.