Von Frank Bosse
Etwas aktiver war unser Zentralgestirn im vergangenen Monat im Vergleich zu Vormonaten schon: Die Sonnenfleckenzahl SSN betrug 78,7 nach 72,4 im April. Der Monat startete verheißungsvoll und steigerte sich bis zum 16. auf eine Tageszahl von 135. Später flaute es allerdings wiederum stark ab und endete mit eher mickrigen 33. Die Flecken verteilten sich recht symmetrisch: 39,8 auf der Nordhemisphäre, 38,9 auf der Südhemisphäre der Sonne.
Trotzdem: im historischen Vergleich erreichte die Sonne auch im Mai 2013 nur 68% des zum aktuellen Zyklusmonat Üblichen. Ist das nun der Spike, den manche Beobachter analog zum Sonnenfleckenzyklus 14 (Solar Cycle 14 = SC14) vermuten? Schaut man auf den Vergleich mit dem (nach Svalgaard korrigierten) Zyklus so erkennt man, dass der Verlauf des Zyklus 1902-1913 deutlich dynamischer war als unser aktueller Zyklus SC24:
Die vermutete Ähnlichkeit zum SC14, die man auch in manchen Verlautbarungen liest, kann nur ohne die Berücksichtigung der geänderten Zählweise nach 1945 konstruiert werden. Hier noch der grafisch dargestellte Verlauf des aktuellen SC24 im Vergleich zum Mittelwert aller Zyklen 1-23 (blau) und zum SC5 (dünn rot) , wie er schon einige Monate hier angestellt wird:
Aus dem Bild wird auch deutlich, dass die Zeit des Maximums im Mittel vorüber ist, die blaue Kurve beginnt sich jetzt deutlich zu neigen. Die solaren polaren Felder deuten auch für diesen Zyklus an, dass das Maximum womöglich schon vorüber sein könnte. Was hat die Erde davon? Die solare Wirkung hier beruht auch auf dem Sonnenwind, und dessen Stärke kann man gut am geomagnetischen Ap-Index ablesen:
Man erkennt: es ist eigentlich schon seit Beginn des SC24 eher ein Lüftchen, was da von der Sonne weht, vergleicht man es mit aktiveren Zeiten im vorigen Jahrhundert. Das wahrscheinliche Flecken-Maximum im Februar 2012 produzierte kaum so viel Sonnenwind wie die Minima seit 1960 und tendenziell geht es auch 3-monatig geglättet (rote Kurve im Diagramm) seitdem noch mehr bergab.
Der Sonnenwind bewirkt auch, dass kosmische Strahlung unserer Milchstraße (GCR für Galactic Cosmic Rays) von unserem Planeten ferngehalten wird. Diese Strahlung könnte in mehreren Schritten dazu führen, dass die tiefere Bewölkung insgesamt ansteigt. Der Effekt wurde von Svensmark (vgl. „Die kalte Sonne“ Kapitel 6) zuerst beschrieben und tatsächlich findet man ein inverses Verhalten der kosmischen Neutronen als Indikator für GCR, die seit Beginn der 60er Jahre messtechnisch erfasst werden, zu den Sonnenzyklen:
Die abgebildeten Daten stammen vom Moskauer Observatorium. Die mit einem 18-jährigem Tiefpass (dick im Diagramm) geglätteten Werte zeigen ein Nachlassen der GCR um ca. 6% zwischen 1972 und 1985, ein Verharren auf diesem Plateau und nach 2003 wieder ein Anwachsen um 7%. Ist das klimatisch bedeutsam? Könnte eine geringere Wolkenbildung durch das Nachlassen der GCR ab 1972 zum Anstieg der Temperaturen bis 2000 beigetragen haben?
Diesen Fragen widmet sich das Experiment „Cloud“, das am weltgrößten Teilchenbeschleuniger CERN durchgeführt wird. Dazu wurde eine große Kammer gebaut, in der man die Atmosphäre der Erde genau nachbilden kann. Sie wird dann definiert mit Strahlung beaufschlagt, die der kosmischen entspricht. Man kann so sehr genau die Bedingungen nachbauen (und zwar physisch und nicht etwa in einem Rechnermodell) und die Ergebnisse reproduzierbar darstellen. In mehreren Experimenten nähert man sich so einer Wirkungskette: von der Ionisierung einzelner Atome in der Hochatmosphäre durch GCR bis zur Beeinflussung der Wolkenbildung in der Troposphäre. Die neuesten Experimente unter Einschluss von Aerosolen (das sind Schwebestoffe in der Atmosphäre aus verschiedenen Quellen: Vulkane, menschgemachte- vor allem Schwefel- und biologisch entstehend) endeten im Dezember 2012 (Cloud 7) und waren dem Report darüber zu urteilen überaus erfolgreich.
Der Leiter des Experiments Jasper Kirkby gab aktuell dem ORF ein Interview. Er kündigt darin mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen an und widerspricht ausdrücklich nicht als er im Konjunktiv gefragt wird: „Angenommen, Sie weisen nach, dass kosmische Strahlen tatsächlich die Wolkenbildung in größerem Maße fördern. Was würde das bedeuten?“ sondern antwortet: “Ich glaube, dass diese Experimente in zweierlei Hinsicht bedeutend sind. Zum einen, weil sie eine neue natürliche Quelle des Klimawandels aufzeigen würden. Und zum anderen, weil sie auch das Verständnis des anthropogenen Klimawandels verändern würden.“ Natürlich auch im Konjunktiv. Die entstehenden Arbeiten könnten also sehr interessant sein und einer weiteren natürlichen Ursache des Klimawandels auch quantitativ mehr Bedeutung zumessen.
Dieser Aufgabe widmete sich auch eine japanische Forschergruppe um Ikuko Kitaba von der Universität Kobe und publizierte Ende 2012 im Fachmagazin PNAS eine Untersuchung, die sich des Problems aus geologischer Sicht näherte. Der Kunstgriff: man untersuchte geomagnetische Umpolungen. Bei diesen periodischen Ereignissen wechseln der magnetische Nord- und Südpol ihren Platz. In den Zeiträumen der Umkehr, die etwa 1000-10.000 Jahre dauern, ist die Erde durch ihr geschwächtes Magnetfeld viel mehr GCR ausgesetzt als zu Zeiten geordneter magnetischer Verhältnisse. Die Arbeit wies in der Tat nach, dass mit solchen Perioden in der jüngeren Erdvergangenheit Abkühlungsphasen einher gingen, wenn sie in Zwischeneiszeiten auftraten. Dabei gibt es eine Schwelle für das Anwachsen der Wirkung von GCR: ab 40% Zuwachs erkennt man die Wirkung auch an rekonstruierten Temperaturen: global sind es dann wohl bis zu 2 Grad Celsius Abkühlung.
Vieles spricht also für die klimatische Wirkung von GCR, ganz wie es Svensmark schon vor Jahren postulierte. Am Ende könnte das auch einen Teil der seit 2003 leicht zurück gehenden Temperaturen auf unserem Planeten erklären. Wer offen ist für wissenschaftliche Erkenntnisse bleibt jedenfalls auch hier schön neugierig: Wie Sie, verehrter Leser unseres Blogs.